20 Jahre nach der Gründung sind die Hamburg Huskies erstmals erstklassig. Ein Besuch bei einer ungewöhnlichen Football-Familie

Hamburg. Der Fußweg von den Clubgebäuden des Marienthaler THC zum Trainingsplatz ist ein wenig zu lang, aber er gibt André Schleemann Gelegenheit, über seinen Sport zu erzählen. Wäre doch gelacht, wenn sich Erstliga-Football in einer Metropole wie Hamburg nicht wieder etablieren ließe! Kürzlich hätten sie sogar an der Schule seiner Tochter, in der Provinz Schleswig-Holsteins, ein Turnier veranstaltet. „Das zeigt doch, dass Football in unserer Gesellschaft angekommen ist.“

Nach ein paar Minuten ist die Gesellschaft bei den Footballern angekommen. Flutlicht und laute Kommandos kündigen den Kunstrasenplatz an. Die U16-Mannschaft der Hamburg Huskies ist noch bei den letzten Übungen, in einer anderen Ecke wärmt sich die U19 bereits auf. Später an diesem Donnerstagabend wird auch noch das Herrenteam hier trainieren.

Cheftrainer Schleemann, der zweite Vorsitzende Martin Sieg und Pressesprecher Thomas Köhn begrüßen Spieler und Mitglieder des Trainerstabs, stellen sich fürs Foto auf, dann geht es für das Gespräch wieder zurück, vorbei an den Tennisplätzen, die sich unmittelbar hinter der Gegengeraden der Horner Galopprennbahn aneinanderreihen. Erst seit Oktober sind die Huskies hier zwischen Renn- und Autobahn zu Hause, zuvor war der Harvestehuder THC sieben Jahre lang der Trägerverein. Neben dem Kunstrasenplatz stehen jetzt zwei Naturrasenplätze sowie Trainingshallen zur Verfügung. „Für uns ist das eine klare Verbesserung gegenüber den bisherigen Bedingungen in Langenhorn“, sagt Sieg, „auch wegen der Nähe zum Stadion im Hammer Park.“

Das neue Umfeld passt zu den gestiegenen Ansprüchen. 20 Jahre nach ihrer Gründung sind die Huskies in der German Football League (GFL) angekommen, der höchsten deutschen Spielklasse. Ein Abenteuer, sportlich wie finanziell. Am 2. Mai geht es los, Gegner sind die Kiel Baltic Hurricanes, jener Verein, mit dem Schleemann viermal im German Bowl stand und 2010 deutscher Meister wurde. Den Siegerring von damals trägt er noch immer voller Stolz. So schnell wird er wohl keinen zweiten gewinnen. Zwar wurde der Etat nach dem Aufstieg um 60 Prozent auf einen jetzt sechsstelligen Betrag angehoben. Doch auch das dürfte nur ein Zehntel dessen sein, was etwa dem deutschen Meister Braunschweig zur Verfügung steht.

Die Huskies können dem nur ideelle Werte entgegensetzen. „Wir begreifen uns als große Familie“, sagt Sieg, 46. Er selbst gehörte vor 20 Jahren, damals noch als Spieler, zu den Gründern des Vereins, der aus den Überresten der Silver Eagles hervorging. Einige in der ersten Mannschaft haben schon als Zehnjährige bei den Huskies mit dem Football angefangen. Dass sich die Trainingszeiten der Altersklassen überlappen, ist nicht der Terminnot geschuldet: „Wir wollen, dass sich alle im Verein kennen“, sagt Nachwuchschef Sebastian Schulz. Er selbst entstammt einer Huskies-Dynastie: Mutter Traute amtiert als Kassenwartin, Vater Wolfgang saß einst dem Verein vor.

Teil dieser großen Football-Familie zu sein ist Ehrensache. Schleemann, 47, bestreitet die 100 Kilometer lange Fahrt zum Training von dem Geld, das er als Bauleiter im öffentlichen Dienst verdient. Selbst die US-amerikanischen Leistungsträger müssen sich weitgehend mit Sachleistungen zufriedengeben: Wohnung, Essensgutscheine, HVV-Karte, Mitgliedschaft im Fitnessclub. „Wir versuchen die Spieler von unserem Programm und unserer Infrastruktur zu überzeugen“, sagt Sieg. Offenbar mit Erfolg: Passverteidiger Tyson Giza kehrt für eine weitere Saison zurück, sein Positionskollege Curtis Slater wurde vom GFL-Süd-Konkurrenten Marburg abgeworben.

Den Kern der neuen Erstligamannschaft aber hat man selbst ausgebildet. Die Young Huskies spielen schon seit mehr als zwölf Jahren in der höchsten Jugendspielklasse, 2010 standen sie sogar im Junior Bowl, dem Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Ein Eigenanteil von 80 Prozent des Kaders wie noch in der Zweiten Bundesliga Nord wird sich allerdings nicht halten lassen. „Die GFL Nord ist die härteste Liga Europas“, sagt Schleemann, ihren Anforderungen seien nur herausragende Spieler gewachsen.

Trotzdem hat der Cheftrainer die Play-off-Teilnahme zum Ziel erklärt, dafür müsste man mindestens vier der acht Mannschaften in der Tabelle hinter sich lassen. Für mehr bräuchte es mehr Sponsoren. Aber woher? Der Football ist in Hamburg längst nicht mehr die Nummer zwei unter den populärsten Sportarten wie noch zu den Glanzzeiten der Blue Devils Ende der 90er-Jahre, als regelmäßig mehr als 10.000 Zuschauer ins Bald-wieder-Volksparkstadion kamen. „Kleinere Standorte, die nicht mit Profisportarten konkurrieren, haben es eindeutig leichter als wir“, sagt Marketingchef Sieg, der im bürgerlichen Leben Immobilienfinanzierungen vermittelt.

Immerhin dürfen die Huskies wieder in den Hammer Park zurückkehren. Weil der Platz dort wegen Modernisierungsarbeiten 2014 nicht zur Verfügung stand, war man zu Union 03 (Waidmannstraße) ausgewichen. Doch nachdem sich Anwohner dort beschwert hatten, durfte die Musik nur noch in Zimmerlautstärke abgespielt werden.

Die GFL-Heimspiele sollen laut Sieg wieder „Event-Charakter“ haben, es soll Kinderschminken und eine Hüpfburg geben, das alles zum stabilen Eintrittspreis von acht Euro. Auf der Tribüne wäre Platz für 2000 bis 3000 Zuschauer. Gegen Braunschweig könnte die volle Auslastung sogar erreicht werden. Mehr wäre Träumerei, und damit wollen sie bei den Huskies erst gar nicht anfangen. An mahnenden Beispielen fehlt es ja nicht, auch in der eigenen Geschichte. 2002 hatte der damalige Vermarkter großspurig den Aufstieg in die GFL angekündigt und war am Ende zahlungsunfähig. Die Blue Devils, viermal deutscher Meister und dreimal Europapokalsieger, haben nach etlichen Insolvenzen nicht einmal mehr eine Herrenmannschaft. Und das Profiteam der Sea Devils hat nach dem Rückzug der National Football League (NFL) aus Europa verbrannte Erde hinterlassen. „Viele haben danach die Lust am Football verloren, Fans, aber auch Spieler“, sagt Schulz.

Allmählich scheint das Interesse wieder zu wachsen, auch dank Werbeträgern wie Kasim Edebali. Er spielte zehn Jahre für die Huskies und erhielt vergangene Saison als erster Hamburger einen Vertrag in der NFL. Die Verbundenheit mit dem Team seiner Jugend ist geblieben, erst kürzlich hat er das Training besucht. Auf eine Ausbildungsvergütung, wie sie im Fußball üblich ist, brauchen die Huskies aber nicht zu hoffen. Dabei haben noch zwei weitere Ehemalige den Sprung in US-amerikanische Universitätsteams geschafft. „Die Amerikaner nehmen uns nicht einmal wahr“, klagt Schulz.

Und so wissen sie bei den Huskies, dass sie sich vor allem auf sich selbst verlassen müssen. „Wir können nur durch exzellente Jugendarbeit in der Ersten oder Zweiten Liga überleben“, sagt Schleemann. Dann muss er sich wieder auf den Weg zum Trainingsplatz machen.