Welthockeyspieler Tobias Hauke und seine Freundin Alina Fischer können am Sonntag mit dem HTHC gemeinsam deutscher Hallenmeister werden

Hamburg. Sie ist selbst schuld an ihrem Unglück, und Alina Fischer weiß das auch. Sie hätte ihn ja nicht fragen müssen, sie weiß, dass er nicht ablehnen kann, wenn man ihn um einen Gefallen bittet. Aber es ging um den Erfolg ihrer Mannschaft, und da müssen persönliche Befindlichkeiten zurückstehen, findet sie. Also bat sie ihren Freund, ob er nicht als Co-Trainer aushelfen könnte, wenigstens so lange, bis der Verein eine Dauerlösung gefunden hat, um den Ende November entlassenen Cheftrainer Max Dahmen zu ersetzen. Und seitdem ist Tobias Hauke eben auch noch Assistenzcoach von Interims-Cheftrainer André Otten bei den Hockeydamen des Harvestehuder THC.

Seit sieben Jahren sind der Welthockeyspieler von 2013 und die Bundesligatorjägerin ein Paar. Und es ist ja beileibe nicht so, dass sie seitdem nebeneinander auf der Couch sitzen und mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen. Alina arbeitet seit fünf Monaten in Vollzeit als Rechtsanwältin bei der Kanzlei Uhsadel an der Esplanade. Tobias hat eine volle Stelle in der Presseabteilung des Hamburger Sport-Vereins (HSV). Weil er zudem auch eine Stütze der deutschen Nationalmannschaft ist und mit den HTHC-Herren national und international, in Halle und Feld, um die Titel spielt, hatten die Tage eigentlich vorher schon zu wenige Stunden, um das Pensum zu schaffen.

Nun aber stehen zudem auch noch die Trainingseinheiten und Spiele der Damen in seinem Kalender. „Wenn Tobi etwas anpackt, dann macht er das ja nicht mit 90 Prozent“, sagt Alina, und das bedeutet: Er versucht, jedes Training und jedes Spiel mitzumachen, das nicht mit den Herrenterminen kollidiert. Und abends, wenn sie nach Hause kommen vom gemeinsamen Sport, setzt er sich an den Laptop, schneidet Videos und seziert den kommenden Gegner. „Er ist ein Mensch, dessen Tage kein Ende haben“, sagt Alina. „Ich spare am Schlaf, und ich gucke abends eben Video statt Fernsehen“, sagt Tobias.

So klingt es bei ihm immer, wenn er seine Belastungen kleinredet. War eben kein anderer da, und weil er sowieso meist dabei ist, wenn die Damen spielen, konnte er ja einspringen. Balljunge ist er doch auch, der Welthockeyspieler, wenn nicht genügend Kinder da sind. Und außerdem macht es ihm Spaß. „Ich freue mich, wenn ich mit meiner Erfahrung ein bisschen helfen kann, dass die Damen erfolgreich sind“, sagt er.

Und das sind sie tatsächlich. Auf dem Feld waren sie Ende Oktober als Tabellenletzter sieglos in die Winterpause gegangen. Dann übernahmen Otten und Hauke, und jetzt stehen die Schwarz-Gelben als Überraschungsteam in der Endrunde um die deutsche Hallenmeisterschaft an diesem Wochenende in Berlin. „André und Tobi haben es mit ein paar geschickten Maßnahmen geschafft, uns zu einem echten Team zu formen“, sagt Alina. Weil die Herren als souveräner Nordmeister auch qualifiziert sind, erleben Alina und Tobias erstmals eine Endrunde gemeinsam als Aktive. Und natürlich sehen die beiden, die seit zwei Jahren zusammenleben, auch das Positive an der neuen Konstellation. „Dadurch dass Alina in der Mannschaft spielt, sehen wir uns immerhin regelmäßig. Wäre das nicht so, hätte ich es wahrscheinlich auch nicht gemacht“, sagt Tobias.

Er versuche zwar, seine Freundin nicht anders als die anderen Spielerinnen zu behandeln und deshalb die direkten Ansprachen an Alina seinem Kompagnon Otten zu überlassen. Aber natürlich schaffen es die beiden nicht immer, sich an den ursprünglich gefassten Vorsatz zu halten, der besagte, alle Hockeythemen im HTHC zu lassen und sich im Privaten nicht mit dem Sport auseinanderzusetzen. „Es nervt schon manchmal, dass Hockey nie zu Ende ist, weil wir Niederlagen jetzt viel intensiver durchdiskutieren als früher“, sagt Alina, „aber auch wenn ich Tobis Ansagen oft kritisch hinterfrage, so weiß ich doch, dass er meistens recht hat. Immerhin hat er zwei olympische Goldmedaillen gewonnen und war Welthockeyspieler. Da ist es doch klar, dass er weiß, wovon er spricht.“

Auch wenn sie für die Erfolge ihres Partners größte Hochachtung empfindet, ist Alina Fischer weit davon entfernt, schmückendes Beiwerk eines erfolgreichen Sportlers zu sein. „Sie hat mich kennengelernt, als ich gerade erst anfing, in der Nationalmannschaft zu spielen“, sagt Tobias. Er schätzt an seiner Freundin ihre Eigenständigkeit, und dass sie ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt, ihn erdet, auch wenn er ein bodenständiger Mensch geblieben ist. „Sie hat von einigen Dingen mehr Ahnung als ich und gibt mir dadurch viele Anstöße, mein Verhalten zu überdenken. Sie öffnet mir oft die Augen“, sagt er.

Nur weil sie selbst in der Bundesliga spielt, hat Alina so viel Verständnis

Nur weil sie selbst die Bedürfnisse eines Leistungssportlers kenne, könne sie ihm so viel Verständnis entgegenbringen, glaubt Alina. Natürlich gibt es diese Momente, in denen sie sein Pflichtbewusstsein verflucht. Dass er immer ein schlechtes Gewissen habe, wenn er seinen Aufgaben nicht so nachkommen könne, wie er es für richtig hielte. Dass er die Freistellungszeiten, die ihm der HSV für seinen Sport gewährt, nacharbeitet; dass er bei Familienfeiern, die ihr wichtig seien, oft fehlt, weil der Sport ihm noch wichtiger ist. Das sind die Momente, in denen sie sich auch mal wünscht, einen normalen Partner zu haben.

„Das ist nicht schön, aber ich versuche Alina wenigstens das Gefühl zu geben, dass ich mir dessen bewusst bin. Dass wir darüber reden, was den anderen stört, ist wichtig“, sagt Tobias, und tatsächlich wirken die beiden wie ein Paar, das ehrlich miteinander umgeht. Da ist nichts gekünstelt oder aufgesetzt, es wird kein Interesse geheuchelt oder Desinteresse ausgestrahlt, sondern da ist Zuneigung spürbar und der unbedingte Wille, aus jeder Situation das Beste zu machen.

Das Paradoxon ist, dass Alina sich aus sportlicher Sicht wünschen müsste, dass Tobias und André als Trainerduo weitermachen, der Erfolg spricht schließlich für sich. Alina muss kurz überlegen, dann antwortet sie: „Solange ich noch spiele, würde ich ihn auch weiterhin mit meinen Mädels teilen.“ Allerdings sei ihr Karriereende absehbar, Vollzeitberuf und Bundesligahockey sind ihr auf Dauer zu kraftraubend. Dass ihr Freund es schaffe, zusätzlich noch die vielen Nationalmannschaftstermine unterzubringen, das bewundere sie. Dennoch verstünde sie ihre Aufgabe auch darin, ihn bisweilen zu bremsen. „Eine Zeit lang hatte ich versucht, seine Besessenheit nicht mehr zu kommentieren. Als er im vergangenen Jahr eine Woche nach seinem Stirnbeinbruch eine Stunde aufs Laufband wollte, um sich für die WM fit zu machen, da habe ich doch eingegriffen. Er hat schon die Tendenz dazu, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse total zu vergessen“, sagt sie. Letztlich ist er natürlich trotzdem gelaufen – und zur WM gefahren.

So ist es meistens, deswegen weiß Alina genau, wie hart es am Sonnabend für ihren Tobi sein wird, ihr Halbfinale um 14.15 Uhr gegen Uhlenhorst Mülheim nicht auf der Bank erleben zu können, weil er sich dann schon in der Vorbereitung auf sein eigenes Halbfinale, ebenfalls gegen Mülheim, befindet, das direkt im Anschluss ausgetragen wird. „Er ist aufgeregter wegen meines Spiels als wegen seinem eigenen“, sagt sie. Die totale Hingabe für andere, auch sie ist ein Grund für ihre Liebe zu ihm.

Natürlich freut sie sich schon auf die Zeit nach dem aktiven Sport, wenn sie es öfters nach Sylt schaffen, an ihren Rückzugsort, wo sie am besten ausspannen können, oder ins Musical. Sollten sie beide am Sonntag den deutschen Meistertitel holen, ist ja nicht einmal eine gemeinsame Party drin. Tobias darf nach Leipzig zur Hallen-WM, die am Mittwoch startet, Alina muss am Montag zur Arbeit antreten. Wann sie denn die nächste Möglichkeit hätten, auf einen Doppelerfolg anzustoßen? „An meinem Geburtstag“, sagt Alina, die am 14. Februar 29 Jahre alt wird, und wirft ihrem Schatz einen Seitenblick zu. „Da bist du doch da, oder?“ Ist er. Der Flieger zum A-Kader-Lehrgang nach Südafrika geht erst fünf Tage später.