Hat sie nun gedopt? Oder ist sie wirklich unschuldig, wie Claudia Pechstein seit Jahren beteuert. Kein Gericht der Welt wird die Wahrheit im Fall Pechstein destillieren können, entscheiden müssen die Juristen allein anhand der vorliegenden Fakten und Aussagen. Und vieles spricht derzeit dafür, dass die Eisschnellläuferin diesen juristischen Marathon gewinnen wird – inklusive eines Schadensersatzes in Millionenhöhe.

Doch die Causa Pechstein hat noch eine ganz andere Dimension. Auf dem Spiel steht nichts weniger als die Sportgerichtsbarkeit. Noch gilt der Internationale Sportgerichtshof Cas als letzte Instanz. Diesen juristischen Sonderweg abseits staatlicher Gerichte muss jeder Athlet akzeptieren, um überhaupt starten zu können. Für das Oberlandesgericht München ist genau dies ein „Missbrauch von Marktmacht“. Schließlich würden die Verbände fast ausnahmslos die Cas-Richter stellen, die Sportler hätten kein Mitspracherecht.

Wird der Bundesgerichtshof nun den Antrag auf Revision ablehnen, könnte dies die Sportwelt so sehr verändern wie das Bosman-Urteil, mit dem vor 20 Jahren die Ablösesummen nach auslaufenden Verträgen gekippt wurden. Denn dann wäre jedes Sportgericht gefährdet, auch die des DFB, wo Verbandsrichter seit Jahr und Tag über Sperren nach Platzverweisen, Strafen nach Pyro-Vorfällen oder Lizenzentzüge urteilen. Es wäre nicht auszudenken, wenn betroffene Vereine oder Sportler künftig nach Belieben ordentliche Gerichte anrufen könnten; schon die langfristige Terminierung solcher Verfahren würde für Chaos sorgen. Nicht nur für den renommierten Sportrechtler Christoph Schickhardt ist die Pechstein-Entscheidung daher „ein Bärendienst für den Sport“.