Kristina Hillmann machte 2014 die meisten Hockeyländerspiele und -tore. 2015 warten neue, große Aufgaben

Hamburg. Begeistert war Bundestrainer Jamilon Mülders nicht, als sich Kristina Hillmann am Dienstagabend in Düsseldorf ins Auto setzte, um nach Hamburg zu fahren. Schließlich hatte sich die 23-Jährige im Rheinland gerade erst in einem anstrengenden Lehrgang für die Hallen-WM qualifiziert, die vom 4. bis 8. Februar in Leipzig ansteht. Ein wenig Schonung wäre danach angebracht gewesen angesichts der Fülle an Terminen, die in den kommenden Wochen und Monaten auf alle Hockeynationalspielerinnen wartet. Aber wie soll man sich schonen, wenn der Tag nur 24 Stunden hat und es so vieles gibt, das erledigt sein will?

Am Mittwochnachmittag sitzt Kristina Hillmann in einem Café in der Innenstadt. Kurz war die Nacht, schon um acht Uhr musste die Physiotherapiestudentin in der Uni sein, deshalb die überstürzte Abreise aus Düsseldorf. Aber man sieht ihr die Strapazen nicht an, denn da ist dieses Leuchten in ihren Augen, das von der Vorfreude kündet. Vorfreude auf das Turnier in Leipzig, aber auch auf alles andere, was ansteht in diesem Jahr: Der Kampf um die Hallen- und Feldmeistertitel mit ihrem Uhlenhorster HC, mit dem sie in den Spielen gegen den Harvestehuder THC (Sa. 16 Uhr) und den Club an der Alster (So. 12 Uhr, beide Wesselblek) die Nordmeisterschaft in der Halle sichern kann. Der Hallen-Europapokal im Februar in Siauliai (Litauen), die Olympiaqualifikation in Valencia im Juni und die EM in London im August.

„Die Vorfreude“, sagt sie, „ist der wichtigste Faktor. Wenn die nicht da wäre, wüsste ich nicht, ob ich mich jeden Tag motivieren könnte.“ Was Hockeyspieler als Randsportler entbehren, um maximalen Erfolg zu haben, ohne dafür finanziell entlohnt zu werden, dafür ist Kristina Hillmann ein anschauliches Beispiel. Wobei die gebürtige Bremerin das Wort entbehren in diesem Zusammenhang nie in den Mund nehmen würde. „Ich habe dieses Leben selbst gewählt und könnte mich jeden Tag dagegen entscheiden“, sagt sie. Deshalb seien das fast tägliche Training, die zahlreichen Lehrgänge und Spiele nie Quälerei für sie. „Natürlich gibt es Tage, an denen es mir schwer fällt, den inneren Schweinehund zu überwinden. Aber dann versuche ich, nur von Tag zu Tag zu schauen und alles Schritt für Schritt abzuarbeiten“, sagt sie.

Der persönliche Erfolg, der an Statistiken eindrucksvoll abzulesen ist, spielt ebenfalls eine gewichtige Rolle. Mit 35 Einsätzen führt Hillmann nicht nur die Auflistung der meisten Länderspiele im Jahr 2014 an, sie hat mit 16 Treffern auch die interne Torjägerwertung gewonnen. „Völlig überrascht“ sei sie gewesen, als ihr mehrere Freunde zeitgleich die Auswertung schickten. Dass sie, wie die Überschrift suggerierte, die fleißigste Nationalspielerin gewesen sein soll, war ihr unangenehm, „weil die anderen genauso fleißig arbeiten“. Aber dass sie ihren Vater, der alle Presseberichte über seine Tochter archiviert, zum ersten Mal anwies, einen Artikel aufzubewahren, zeigt, dass ihr das Erreichte doch etwas bedeutet. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich noch einmal in beiden Wertungen ganz oben stehe“, sagt sie.

Die eigene Leistung realistisch einzuschätzen hat sie in den vergangenen Monaten gelernt, auch weil sie 2013 erfahren hatte, wie hart es sein kann, wenn der Erfolg ausbleibt. „Krissi hatte 2013 kein gutes Jahr, sie hat oft schlecht trainiert und schlecht gespielt. Aber sie hat daraus die richtigen Schlüsse gezogen und gezeigt, dass sie eine Kämpfernatur ist“, sagt Bundestrainer Mülders. Doch trotz ihres Einsatzrekords 2014 dürfe sich die Offensivspezialistin nicht als gesetzt betrachten. Das tut sie auch nicht, vielmehr hat sie sich für die nächsten Monate vorgenommen, an ihrer Entscheidungsstärke und den strategischen Fähigkeiten zu arbeiten. „Mir fehlen manchmal Klarheit und Ruhe in meinen Aktionen. Die richtig guten Spielerinnen zeichnet aus, dass sie mehr als 90 Prozent ihrer Entscheidungen richtig treffen. Da will ich hin“, sagt sie. Dass sie im Verein als Schaltzentrale zwischen Abwehr und Angriff fungiert, im Nationalteam dagegen vorrangig im Sturm spielt, gefällt ihr gut. „Ich liebe zwar das Mittelfeld, aber es ist eine Herausforderung, sich immer wieder auf neue Positionen einzustellen“, sagt sie, „und letztlich kommt mir meine Flexibilität ja auch zugute.“

Nach der mit Platz acht verkorksten WM 2014 hatte Kristina Hillmann gemutmaßt, man müsse noch härter arbeiten, um auf Weltspitzenniveau mithalten zu können. Mittlerweile hat sie diese Haltung überdacht und ist zu dem Schluss gekommen, nicht die Quantität, sondern die Qualität des Trainings zu erhöhen. Sie hört jetzt mehr darauf, wenn ihr Körper, wie vor Weihnachten mit einer Knochenhautentzündung im Schienbein geschehen, Erschöpfungssignale sendet. Und sie versucht, sich Ruhezonen im Alltag zu schaffen wie die Arbeit in der Eisdiele Luicella’s von Schwimmweltmeister Markus Deibler oder Treffen mit Freunden, die nichts mit dem Hockey zu tun haben. Das macht den Kopf frei, um die Aufgaben anzugehen, die vor ihr liegen. Schließlich ist es nicht nur der Bundestrainer, der begeistert werden will.