Bundestrainerin Barbara Rittner über die neue Harmonie im Tennis-Bund, ihre Ziele für die Fedcupsaison 2015 und ihre persönliche Zukunftsplanung

Hamburg. An diesem Dienstag fliegt Barbara Rittner, 41, nach Melbourne, wo am 19. Januar mit den Australian Open der erste Höhepunkt der Tennissaison 2015 startet. Vor dem Abflug spricht die Bundestrainerin über das, was war, und das, was kommt.

Hamburger Abendblatt:

Frau Rittner, die Saison 2014 wird noch immer überstrahlt von Ihrer Finalteilnahme mit dem Fedcupteam. Wie lange haben Sie gebraucht, um die Niederlage in Tschechien zu verarbeiten?

Barbara Rittner:

Es war ein Superjahr, aber das Ende hängt mir schon noch in den Knochen. Es war gut, dass das Team und ich danach eine lange Pause voneinander hatten, um mal abzuschalten und alles auf uns wirken zu lassen. Ich hatte ausreichend Zeit zur Analyse, und der Schlüssel war, dass uns Erfahrung gefehlt hat, mit solchen Finalspielen umzugehen. Jetzt kommt es darauf an, was wir daraus lernen.

Wie ist Ihr Eindruck, was werden die Spielerinnen lernen? Haben die das alles schon verkraftet?

Rittner:

Das werden wir erst wissen, wenn wir unser diesjähriges Viertelfinale gegen Australien gespielt haben. Allerdings finde ich es gefährlich, dass einige schon jetzt vom nächsten Finale reden. Letztes Jahr wurden wir groß gefeiert, als wir das Halbfinale erreicht haben, in diesem Jahr wirkt es so, als sei das Halbfinale Pflicht für uns. Ich bin gespannt, wie die Mädels mit dieser Erwartungshaltung und dem daraus entstehenden Druck umgehen.

Täuscht der Eindruck, dass die Spielerinnen selber diese Erwartungshaltung haben, wieder ins Finale zu kommen?

Rittner:

Der täuscht nicht. Angelique Kerber schreibt mir jetzt schon wieder per WhatsApp, wie sehr sie sich freut, im Fedcup neu anzugreifen. Auch Andrea Petkovic, Sabine Lisicki, Julia Görges und Anna-Lena Grönefeld sind heiß auf Erfolg, und das formulieren sie alle auch deutlich. Grundsätzlich glaube ich ja auch, dass sie alle ihre besten Tennisjahre noch vor sich haben. Dennoch sind die Mädels auch alle sehr sensibel und keine Maschinen, und an zu hohem Druck kann man auch schnell mal ersticken. Wir werden uns am Freitag in Melbourne, bevor die Australian Open am Sonntag starten, alle zum Essen treffen und das Gewesene analysieren. Und dann werden wir besprechen, was wir künftig besser machen können, und wieder angreifen.

Die meisten Experten, die sich zur Saison 2015 geäußert haben, trauen am ehesten Angelique Kerber einen Grand-Slam-Titel zu. Warum?

Rittner:

Weil sie seit drei Jahren konstant in den Top Ten steht und in diversen Matches bewiesen hat, dass sie alle Großen schlagen kann. Wenn sie nun noch ihren Aufschlag verbessert, dann hat sie das Zeug, ganz oben anzugreifen. In ihr steckt noch viel Potenzial.

Das heißt, Sie sehen auch in Kerber Ihre derzeitige Topspielerin.

Rittner:

Ich sehe mich in der schönen Lage, über eine Reihe an Topspielerinnen zu verfügen. Wenn Sabine ein Jahr ohne Verletzungen durchsteht, ist sie ganz klar eine Kandidatin für die Top 10. Gleiches gilt für Andrea, wenn sie es schafft, Niederlagen nicht als so gravierend zu betrachten, dass dadurch ihre Psyche leidet. Sie hat da unheimlich viel gelernt, sodass ich glaube, dass sie nicht mehr an den eigenen Erwartungen zerbricht. Und Jule wird, ebenso wie Mona Barthel, noch einmal die Top 20 angreifen. Beide haben das Potenzial dafür.

Sie haben es sich hart erarbeitet, dass hinter den Top vier eine Reihe an Nachwuchsassen wartet, um ins Fedcupteam nachzurücken. Haben Sie eine Spielerin besonders auf dem Zettel, die 2015 für Furore sorgen wird?

Rittner:

Ich mache Anfang des Jahres für mich eine Liste, auf der ich notiere, was ich von den einzelnen Spielerinnen erwarte. Und da ich da oft schon falsch lag, werde ich keine Prognose abgeben. Eine Überfliegerin sehe ich nicht. Aber ich bin froh, dass Spielerinnen wie Annika Beck, Anna-Lena Friedsam oder Carina Witthöft Druck machen. Für alle meine Topspielerinnen hat der Fedcup höchste Priorität, was schön ist. Aber irgendwann kommt der Moment, wo eine mal ausfällt und die Kleinen ihre Chance bekommen. Und dann bin ich sehr gespannt, wie die damit umgehen.

Um die Hamburgerin Carina Witthöft kümmern Sie sich in den Tagen vor den Australian Open wieder als Trainerin. Was erwarten Sie von ihr?

Rittner:

Sie hat im vergangenen Jahr eher kleinere Turniere gespielt und dort sehr gute Leistungen gebracht. Jetzt muss sie mehr Erfahrungen auf der WTA-Tour machen, sie muss den letzten Schritt auf dem Weg zum Profi gehen. Dass sie das schaffen wird, davon bin ich fest überzeugt. Sie ist vor allem mental stabiler geworden, spielt mit mehr Selbstbewusstsein. Und sie hat aus der ersten Jahreshälfte 2014 in diesem Frühjahr kaum Punkte zu verteidigen, deshalb wird sie sich sicher unter den Top 100 etablieren können.

Ihr Vertrag als Bundestrainerin läuft Ende 2015 aus. Wann verlängern Sie?

Rittner:

Wir werden bald Gespräche führen. Man vertraut meiner Arbeit und lässt mich machen.

Wäre es dennoch für Sie eine Option, auch mal für eine Zeit im Ausland tätig zu sein?

Rittner:

Es käme drauf an, welche Arbeit es wäre. Mein Know-how im Aufbauen von Strukturen auch für eine andere Nation einzubringen könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber der Gedanke, im Fedcup gegen meine Mädels zu coachen, der ist absurd. Es gab zuletzt sogar zwei Anfragen, die eine schöne Bestätigung meiner Arbeit waren und mich sehr gefreut haben. Dennoch habe ich sie dankend abgelehnt.

Sie hatten sich vor der Präsidiumswahl im Deutschen Tennis-Bund im November für Michael Stich starkgemacht, der dann doch nicht antrat. Wie kommen Sie nun mit dem neuen Präsidenten Ulrich Klaus zurecht?

Rittner:

Ich habe einen sehr positiven Eindruck von ihm und seinem Team. Vor allem spürt man einen gegenseitigen Respekt. Es wird viel mehr kommuniziert, die Zeit des ständigen Gegeneinanders im Bundesausschuss scheint endlich vorbei zu sein. Herr Klaus und sein Team sind für drei Jahre gewählt worden und haben eine faire Chance verdient, und bislang bin ich sehr positiv überrascht. Dennoch bin ich weiterhin der Meinung, dass man einen Mann wie Michael Stich in die Verbandsarbeit einbinden muss. Ich stehe in gutem Kontakt mit ihm und verfolge, was er tut.

Wenn man spürt, wie sehr Sie sich in die Verbandsarbeit einbringen und um die Entwicklung des Tennis kümmern, fragt man sich unweigerlich: Wann werden Sie DTB-Präsidentin?

Rittner:

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Im Moment bin ich jedenfalls noch viel zu tief drin in meiner Arbeit als Bundestrainerin, das macht mir so viel Spaß, dass ich nicht den Impuls verspüre, etwas anderes machen zu wollen. Aber ich will stets komplett offen bleiben für alles, ich will mit meiner Arbeit konstruktiv helfen, das deutsche Tennis nach vorn zu bringen. Das ist meine Aufgabe.