Der Hamburger Europameister soll im April eine WM-Chance bekommen. Dass er zuletzt nicht überzeugte, lag an seiner Vorbereitung

Hamburg. Die Weihnachtsfeiertage im Kreis der Familie in Darmstadt und ein Strandurlaub in Ägypten haben Jack Culcay geholfen, um den Kopf frei zu bekommen. Das war nötig, schließlich hatte der Europameister im Halbmittelgewicht nach seinem letzten Kampf am 6. Dezember in Oldenburg harsche Kritik einstecken müssen. Gegen den Franzosen Karim Merroudj hatte der Hamburger, der für den Berliner Sauerland-Stall in den Ring steigt, so emotions- und einfallslos agiert, dass der einstimmige Punktsieg mehr Fragen aufwarf als Antworten zu geben.

Vor allem der Fakt, dass er von dem zwar aggressiven, aber technisch ungelenken Gegner in den Schlussrunden zu oft getroffen wurde, rief Zweifler auf den Plan. Trainer Joey Gamache hatte seinem Schützling, den er erst im Sommer 2014 als bereits siebter Coach in Culcays fünfjähriger Profilaufbahn übernommen hatte, zu mehr Bewegung und besserer Beinarbeit angehalten. Die Maßgabe, so wenig wie möglich getroffen zu werden, setzte der Amateurweltmeister von 2009 dann allerdings so schlecht um, dass sogar Promoter Kalle Sauerland und sein Berater und Athletikcoach Moritz Klatten unverhohlen Kritik übten. „Von einem, der um die WM boxen will, muss man mehr erwarten“, sagte Sauerland.

Natürlich muss man Culcay zugute halten, dass er im Kampfverlauf schnell gemerkt hatte, dass ihm Merroudj mangels Schlagkraft nicht gefährlich werden konnte. Mit dem Abstand zweier Urlaube hat der 29-Jährige allerdings eine weitere Ursache für seine Passivität gefunden. „Leider war die Vorbereitung nicht so, wie sie sein müsste, um athletisch in Topform zu sein. Deshalb habe ich im Kampf immer wieder Pausen eingelegt, um Kraft zu sammeln, damit ich die zwölf Runden überstehe. Im Nachhinein ärgere ich mich sehr darüber, dass ich in diesen Pausen so schlecht ausgesehen habe“, sagt er.

Eine ehrliche Erklärung ist das, und doch wirft auch sie Fragen auf: Warum ist ein Europameister, der sich für einen WM-Kampf und einen Fortbestand als Live-Kämpfer bei Sauerlands neuem TV-Partner Sat.1 empfehlen muss, nicht in der Lage, zwölf Runden Vollgas zu geben? Die Antwort findet sich tatsächlich in der Vorbereitung. Klatten und Sauerland hatten entschieden, den Boxer aus seiner Komfortzone zu befördern, um neue Reize zu setzen. Deshalb musste Culcay in Kopenhagen trainieren, wo Gamache sein Gym hat. Er war dort einer von vielen, musste seine Sparringspartner chauffieren und sein Athletiktraining in Eigenregie organisieren. „Jack sollte schätzen lernen, wie gut er es in Hamburg hat“, sagt Klatten.

Das scheint gelungen, auch wenn der Preis ein nicht optimal eingestellter Boxer war, der nun aber weiß, wie gut es ihm in der Hamburger „Vollpension“ geht. Die nächste Vorbereitung wird wieder komplett in Hamburg stattfinden, „und wenn das Training zu hundert Prozent gut gelaufen ist, dann werde ich auch zwölf Runden Vollgas geben können“, sagt der gebürtige Ecuadorianer. Das allerdings muss er auch, wenn der nächste Gegner der ist, den sich alle erhoffen. Sauerland hat IBF-Weltmeister Cornelius Bundrage (41, USA) ein Angebot für einen Kampf im April gemacht, der in Hamburg geplant ist. „Dafür sind wir an unsere Grenzen gegangen“, sagt der Promoter.

Natürlich wissen alle, dass Culcay sich in allen Belangen steigern muss, wenn er auch bei den Profis Weltmeister werden will. „Alles muss besser werden“, sagt er selbst. „Jack ist in einem Alter, in dem er die WM-Chance annehmen muss, wenn sie sich bietet“, sagt Klatten. Aber er ist auch in einem Alter, in dem er Chancen nicht leichtfertig vergeben darf. Ein freier Kopf wird helfen, sich darüber klar zu werden.