Alexander Otte vom Großflottbeker THGC steht mit 32 Jahren bei den Hallentitelkämpfen in Leipzig vor seinem WM-Debüt in der Nationalmannschaft

Hamburg. Da stand er nun beim Lehrgang in Köln am vergangenen Wochenende und musste etwas tun, was er nicht mehr gewohnt ist: Alexander Otte musste ruhig sein und sich hintenanstellen. Das fällt schwer, wenn man schon von Berufs wegen gerne den Ton angibt und auch sonst ein Mensch ist, dem es an Selbstbewusstsein nicht mangelt. Aber der 32-Jährige wusste, dass der Höhepunkt seines sportlichen Wirkens auf dem Spiel stand, und deshalb tat der Torjäger des Großflottbeker THGC, was zu tun war. Er ordnete sich unter und spielte in den Testspielen gegen Tschechien und die Niederlande so stark, dass ihn die Bundestrainer Markus Weise und Stefan Kermas in den endgültigen Zwölferkader für die Hallenhockey-WM in Leipzig (4. bis 8. Februar) beriefen.

Dass ein Hockeyspieler im Alter von 32 Jahren seine erste WM erlebt, das ist in etwa so gewöhnlich wie ein HSV-Sieg mit fünf Toren Vorsprung. Kein Wunder also, dass Otte sich selbst als Spätentwickler bezeichnet. An Talent hatte es dem Offensivspieler, dessen jüngere Geschwister Katharina (beim Uhlenhorster HC) und Philipp (bei BW Köln) ebenfalls Leistungshockey spielen, ja nie gemangelt. Aber mehr als eine Berufung für die Hallen-EM 2008 in Jekaterinburg, die er mit der Silbermedaille abschloss, kann er international nicht vorweisen. Zwar wurde er in der Jugend nach jeder Hallensaison zu Auswahlmaßnahmen im Feld eingeladen, den Sprung in den Kader der U-Nationalteams schaffte er jedoch nie. „Um es auf dem Feld in die Nationalmannschaft zu schaffen, dafür war ich einfach nicht gut genug. Ich konnte das Tempo nicht mitgehen und war auch mental nicht bereit, mich mit den Besten zu messen“, sagt er ehrlich.

Er ist eben ein Hallenspezialist, dieser Alexander Otte. Und wem es nicht reicht, nur die nackten Zahlen zu lesen, die ihn im vergangenen Jahr mit 58 Treffern als Torschützenkönig der Bundesliga auswiesen und ihn auch jetzt, nach sechs Spielen, mit 22 Toren wieder als Führenden dieser Wertung markieren, der muss ihn spielen sehen. So wie Weise, der bei Großflottbeks 7:5-Sieg gegen den Klipper THC Ende November dabei war, als Otte sechs Tore gelangen. „Das war ein Sahnespiel und mein großes Glück, dass er ausgerechnet da zugeschaut hat“, sagt der schlaksige Angreifer, der vor allem mit seinem Instinkt und der Intuition besticht. „Ich kann gut vorausahnen, welche Spielsituation entstehen wird, und habe dadurch einen Vorteil in der Handlungsschnelligkeit“, sagt er. Außerdem habe er durch seine Erfahrungen im Basketball, den er als Jugendlicher im Verein betrieb, gelernt, mit dem Rücken zum Tor gefährliche Situationen zu kreieren. „Dadurch bin ich vom Mittelfeldspieler zum Stürmer geworden“, sagt er.

Seine Torgefährlichkeit ist allerdings nur das halbe Erfolgsgeheimnis, denn der Alexander Otte von heute ist außerdem athletisch und mental viel stärker als der von vor zehn Jahren. Durch seinen Beruf als selbstständiger Personaltrainer (Informationen unter www.aopt.de) hat der Hamburger, der in Ottensen lebt, eine professionellere Einstellung zu seinem Sport gefunden. Gemeinsam mit seinem Freund und Berater Peter Knipp bildet er sich stetig weiter und benutzt sich selbst als Versuchskaninchen für neue Trainingselemente. „Ich achte mehr auf meine Ernährung und bin auf einem besseren Fitnesslevel als je zuvor“, sagt er. Man darf das glauben, denn die Aussage, dass Sport sein Lebensinhalt sei, ist bei Alexander Otte keine Floskel. Neben seinem Engagement für Großflottbek und den beruflichen Verpflichtungen ist er seit vergangenem Jahr auch bei den Zweitligaherren der TG Heimfeld als Trainer aktiv. Zuvor trainierte er vier Jahre lang die Damen des Clubs.

„Mein Anspruch als Trainer ist, die Sportler vom Denken zum Nachdenken zu bringen. Sie sollen das Ergebnis ihrer Handlungen reflektieren und auf dem Weg zur maximalen Leistung ihre persönlichen Stärken herausfinden. Dabei will ich helfen“, sagt er. Einer, der so denkt, ordnet sich anderen Trainern oder Mitspielern nur unter, wenn er von deren Kompetenz überzeugt ist. Im Verein, der an diesem Wochenende in den Partien beim Harvestehuder THC (Fr., 20 Uhr, Barmbeker Straße) und gegen den Club an der Alster (So., 12 Uhr, Christianeum) den Klassenerhalt in der Hallenbundesliga perfekt machen kann, ist Otte als unangefochtener Leistungsträger längst Wortführer, die Trainer Jimi Lewis und Marcel Thiele akzeptieren das. Bei der Nationalmannschaft geben neben Weise und Kermas die Welthockeyspieler Moritz Fürste und Tobias Hauke den Ton an. Nicht ganz einfach, aber Otte akzeptiert das nicht nur, er genießt es sogar ein bisschen. „Es wäre ja vermessen, wenn ich solche Spieler coachen wollte, auch wenn ich das Gefühl habe, dass man mir auch im Nationalteam zuhört, wenn ich etwas sage. Es ist für mich toll, in diesem Stadium meiner Karriere eine solche Erfahrung noch einmal machen zu dürfen“, sagt er.

Seinem Heimatverein GTHGC hat er – einen fünfjährigen Ausflug zum Düsseldorfer HC während seines Sportstudiums in Köln ausgenommen – stets die Treue gehalten. Das allerdings könnte sich im Sommer ändern. Otte überlegt ernsthaft, einen letzten Angriff zu wagen und sich einem der drei Hamburger Topclubs UHC, HTHC oder Alster anzuschließen, um doch einmal deutscher Meister werden zu können. Entsprechende Gespräche laufen. Die Hallen-WM soll auf keinen Fall der Abschluss seiner aktiven Karriere werden. „Ich fühle mich fit genug, um noch ein paar Jahre Vollgas zu geben“, sagt er. Hintenanstellen wird er sich aber keinesfalls. Alexander Otte will vorangehen, mit Wort und Tat. Und wahrscheinlich schon in Leipzig.