Petra Schankin aus Tornesch hat ein ungewöhnliches Hobby. Die 53-Jährige schwimmt in Eiswasser – und das so gut, dass es zum Vizeweltmeistertitel reichte

Hamburg. Eine kalte Dusche empfindet Petra Schankin als Strafe. Das allein würde keine Zeile rechtfertigen, schließlich geht es Millionen Menschen nicht anders. Interessant wird dieser Fakt allerdings, wenn man das Hobby kennt, das der 53-Jährigen sogar einen Vizeweltmeistertitel eingebracht hat: Petra Schankin ist Eisschwimmerin. Ende März 2014 gewann sie bei den Welttitelkämpfen im finnischen Rovaniemi die Silbermedaille über 25 Meter Brust, 22:58 Sekunden war sie dafür in dem ein Grad kalten Fluss unterwegs, in den acht 25-Meter-Bahnen gehackt worden waren. Dagegen müsste eine kalte Dusche eine Belohnung sein.

Vor vier Jahren hatte Petra Schankin von ihrer eisigen Leidenschaft noch nichts geahnt. Gut, ihr Mann Uwe, 56 und Fernmeldetechniker von Beruf, ist Vorsitzender der DLRG-Region Uetersen (Kreis Pinneberg), und beim traditionellen Anbaden an jedem ersten Januarwochenende im Naturfreibad Oberglinde in Moorrege waren die Schankins mit ihren Kindern Franziska, 25, Philipp, 22, und Katharina, 19, regelmäßig ins Eiswasser gestiegen. Anfang 2011 erfuhren sie zufällig von einem Bekannten, dass es Weltmeisterschaften im Eisschwimmen gibt. Seit 1999 werden diese ausgetragen, der Sport entstand in Finnland und Russland. „Das fanden mein Mann und ich lustig und haben uns gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar und einem weiteren Vereinskollegen unter dem Namen Glinder Eis-Enten für die WM 2012 angemeldet“, sagt Petra Schankin.

Die Tornescherin schwimmt seit vielen Jahren, sie ist Trainerin beim SV Eidelstedt, hat an diversen „normalen“ Becken- und Freiwasserwettkämpfen teilgenommen und war 2002, 2004 und 2008 bei der WM im Rettungsschwimmen aktiv. Seit acht Jahren absolviert sie zudem einmal im Jahr die 3,8-km-Schwimmstrecke beim Ostseeman-Triathlon in Glücksburg im August. Aber dafür trainierte sie nur in den Sommermonaten im Freibad Oberglinde. Nun auch im Winter dorthin zu müssen kostete anfangs viel Überwindung. Dennoch tut sie es, immer in Begleitung von mindestens einem Teammitglied, vier- bis fünfmal wöchentlich, meist morgens kurz nach dem Hellwerden.

In härteren Wintern als diesem dauert es 45 Minuten, bis sie eine sechs Meter lange Bahn ins Eis gehackt hat. Diese Länge ist ausreichend, da sie das Streckenschwimmen weiterhin in der Halle trainiert. „Im Eistraining geht es nur darum, den Körper an die Kälte zu gewöhnen. Weil die Muskeln bei ein Grad kaltem Wasser viel schneller zumachen, ist die Erschöpfung höher, und das trainiert man mit vier- bis fünfminütigem Bewegen im Eiswasser“, sagt sie. Wärmende Hautpflegemittel oder gar Neopren-Schutzkleidung, die im Wettkampf verboten sind, sind tabu.

Die Erfahrungen, die die fünf „Eis-Enten“ bei der WM 2012 im lettischen Riga sammelten, waren so überwältigend, dass es kein Zögern gab, sich auch 2014 für die Titelkämpfe anzumelden. Qualifikationskriterien gibt es nicht, gestartet wird in fünfjährig gestaffelten Altersklassen und nach Geschlechtern getrennt. Bei allem sportlichen Ehrgeiz steht das Gemeinschaftserlebnis über allem. „Nach den Rennen sitzt man zum Aufwärmen stundenlang in mit heißem Wasser gefüllten, beheizten Holzbottichen. Da entstehen tolle Gespräche und Freundschaften“, sagt Petra Schankin.

In diesem Jahr gibt es keine Titelkämpfe, die Planungen für die WM 2016 im russischen Tyumen laufen bereits. Den Effekt ihres Sports auf die körperliche Konstitution will Petra Schankin nicht mehr missen. „Ich bin so gut wie nie erkältet, und ich habe kaum noch kalte Hände oder Füße, weil die Durchblutung viel besser geworden ist“, sagt sie. Auch das Kälteempfinden an der frischen Luft habe sich verändert. Dennoch ist ihr Wärme auch heute noch lieber als Kälte, und das gilt nicht nur für die Dusche am Morgen.