Der 23-Jährige ist der einzige Hamburger im Team Giant-Alpecin, das als erste Equipe seit Milram unter deutscher Lizenz fährt und an diesem Mittwoch vorgestellt wird

Hamburg. Einen Ansturm wie den, der an diesem Mittwoch in der französischen Botschaft in Berlin erwartet wird, hat der deutsche Radsport seit den Zeiten des Teams Telekom nicht mehr erlebt. Um 11 Uhr wird am Pariser Platz das neue World-Tour-Team Giant-Alpecin vorgestellt – die erste Equipe seit dem 2010 aufgelösten Team Milram, die unter deutscher Lizenz an der höchsten Profiserie des Weltverbands UCI teilnimmt. Neben mehr als 140 akkreditierten Medienvertretern wollen auch UCI-Chef Brian Cookson, Tour-de-France-Direktor Christian Prudhomme und Bundesjustizminister Heiko Maas dabei zusehen, wie das zarte Pflänzchen, das die verbliebenen Radsport-Enthusiasten in Deutschland seit den schlimmen Jahren der Dopingskandale zu bewahren versucht hatten, zu neuer Blüte gelangt.

Nikias Arndt wird am Tag des Neustarts, der durch die Ankündigung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens medial befeuert wird, in diesem Jahr erstmals seit vier Jahren wieder Livebilder von der Tour de France zu senden, einen Platz in der ersten Reihe genießen. Der 23-Jährige ist einer von fünf deutschen Profis und der einzige Hamburger in der 27 Athleten umfassenden Mannschaft, die so neu gar nicht ist. Durch den Einstieg von Alpecin, das mit dem Slogan „Doping für die Haare – und nur für die Haare“ für seine Pflegeprodukte wirbt und damit eine pfiffige Verbindung zum neuen Geist im Radsport geschaffen hat, kommt sie lediglich im neuen Gewand daher. Im Vorjahr ging das Team als Giant-Shimano in fast identischer Besetzung mit niederländischer Lizenz an den Start. Teamstandort bleibt zunächst Deventer.

Trotzdem spürt Arndt, der mit seiner Freundin in Bonn wohnt, aber dank seiner in Buchholz lebenden Eltern Hamburg als seine Heimat bezeichnet, den frischen Wind, der ihn und seine deutschen Teamkameraden John Degenkolb, Johannes Fröhlinger, Simon Geschke und Marcel Kittel beflügeln soll. „Wir sind alle sehr stolz darauf, dass wir mithelfen dürfen, unserem Sport in Deutschland wieder zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen“, sagt er.

Hart war es in den vergangenen Jahren, seinen ersten als Profi im Radsport, in der Heimat zu den Rennen anzutreten. Während die Fans in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Italien oder Spanien ihren Helden unvermindert zujubelten, blieben im dopingkritischen Deutschland die Zuschauer weg. „Da hat man sich schon mal gewünscht, Belgier zu sein“, gibt Arndt, der bei der RG Hamburg begann, ehe er als 13-Jähriger an die Lausitzer Sportschule Cottbus wechselte, zu.

Dennoch habe er die deutschen Rennen stets gern absolviert. Seine Kollegen und er, die sich sehr offensiv im Antidopingkampf engagieren, wollten sich nicht verstecken, sie wollten kämpfen, um ihrem Sport Stück um Stück die Glaubwürdigkeit zurückzugeben. „Mit dem Einstieg von Alpecin ist ein wichtiger Schritt geschafft. Jetzt wollen wir umso mehr mit sauberer Leistung dazu beitragen, dass wir auch in Deutschland wieder als Sportler und nicht als Sünder gesehen werden“, sagt er. Seine Rolle im Team hat Nikias Arndt längst gefunden. Bei den großen Rundfahrten ist er als Helfer für die Topstars Degenkolb und Kittel eingeplant. Bei den Klassikern wie Mailand–San Remo, den er in diesem Jahr erstmals fahren darf, oder Paris–Roubaix, der trotz der quälenden Kopfsteinpflaster-Passagen sein Lieblingsrennen ist, darf der sprintstarke Allrounder um den Sieg fahren. „Ich bin zwar noch ein junger Fahrer, der sich entwickeln muss. Aber ich kann leistungsmäßig mit den Etablierten mithalten. Das ist ein gutes Gefühl“, sagt er.

Auch deshalb hat er die Überlegungen, wegen der höheren Erfolgsaussichten für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro auf die Bahn zurückzukehren, ganz weit hintenangestellt. „Ich sehe mittlerweile genauso gute Chancen, mich auf der Straße und im Zeitfahren zu qualifizieren. Außerdem will ich die spannende Zeit, die jetzt mit dem neuen Team anbricht, mitgestalten“, sagt er. Nikias Arndt ist bereit für den Neustart, keine Frage.