Hamburger Boxer versucht Jugendliche vor den Lockrufen der IS-Terroristen zu bewahren

Hamburg. Wie sehr ihn dieser Haris Calakovic fordern wird an diesem Sonnabend (17 Uhr, CU-Arena), das weiß Ismail Özen noch nicht. Aber dass der Halbschwergewichtler in Neugraben den zwölften Sieg im 14. Profikampf schaffen wird, ist anzunehmen. Sein serbischer Gegner zählt nicht zur gehobenen Klasse des Profiboxens.

Einen weitaus schwierigeren Kampf hat Ismail Özen bereits ausgetragen. Der Kurde ist vor einigen Monaten in die Türkei gefahren, um dort an der syrischen Grenze auf Spurensuche zu gehen. Er kennt Dutzende Familien, die in Sorge sind um ihre Söhne, weil sie vermuten, dass die sich in einem IS-Ausbildungslager aufhalten könnten.

Der 34-Jährige kennt keine Angst. Nicht im Ring und nicht im Leben, wo auch einiges schiefgelaufen ist. Er war vor Jahren auf dem Kiez aktiv, ist mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und auch vor Gericht verurteilt worden. Wenn man so will, hat er nun die Seiten gewechselt. Versucht zu verhindern, dass junge Menschen zu Monstern und kaltblütigen Mördern werden.

Wie ist die Lage dort im Grenzgebiet jetzt? „Grausam“, sagt Ismail Özen. „Die türkische Armee tut gar nichts. Und die ganz normalen Menschen leiden. Es ist kalt, die Familien schlafen auf dem Boden, sie kochen auf der Straße. Die Kinder wachen morgens mit dem Lärm der Bomben auf und schlafen abends mit den Explosionen über ihren Köpfen ein.“

Am Kampfabend am Sonnabend wird Özen Spendengelder sammeln für seinen Feldzug gegen die IS-Terroristen. Davon wird er Spielzeug, Matratzen und Kleidung kaufen und alles mitnehmen, wenn er am 3. Januar wieder in die Türkei fliegt, um den Menschen vor Ort zu helfen. „Ich habe Respekt vor jedem Menschen und vor jeder Religion“, sagt der gebürtige Hamburger. Ismail sagt, er glaube an Gott, sei nicht sehr religiös und fühle sich keiner Religion zugehörig. „Aber es gibt keine Religion, die es zulässt, dass Unschuldigen der Kopf abgeschlagen wird.“

Mittlerweile versucht Özen nicht mehr, die Jungen zu retten, die bereits in den Fängen des IS sind. Sondern diejenigen, die hier in Hamburg leben und zugänglich sind für die Menschenfänger. Er bietet ihnen Boxtraining an als Kontrast zu den Verlockungen der Extremisten. „Sie sprechen diese Jungen gezielt an. In Schulen oder im Verein. Sie versprechen ihnen ein Gemeinschaftsgefühl, manchmal auch Jobs und vor allem Action. Und alles im Namen der Religion.“

Ismail Özen wird weiterkämpfen. „Gegen eine verirrte Minderheit, die dafür sorgt, dass weltweit die Muslime schräg angeschaut werden.“ Er wird nicht akzeptieren, dass alle Islamisten plötzlich in Verruf geraten. Er wünscht sich, dass noch mehr Muslime ihre Stimme erheben. „Und damit verhindern könnten, dass auch in Deutschland vermehrt Menschen gegen diese Religion auf die Straße gehen.“