Der Brite siegt in Abu Dhabi und wird Formel-1-Weltmeister. Mercedes-Kollege Nico Rosberg ist nach Defekt chancenlos

Abu Dhabi. Das erste Kompliment war königlich. Nachdem Lewis Hamilton beim Saisonfinale in Abu Dhabi sein elftes Rennen in diesem Jahr gewonnen und sich zum zweiten Mal nach 2008 zum Formel-1-Weltmeister gekrönt hatte, ergriff Englands Prinz Harry das Wort: „Wow, Lewis, du bist ein wahrer Champion. Danke, dass du uns alle stolz gemacht hast!“ Sein britischer Landsmann antwortete, indem er mit seinem Silberpfeil Freudenkreise auf dem Asphalt drehte und sich den Union Jack ins Cockpit reichen ließ. Sein Herausforderer und Teamkollege Nico Rosberg rollte da als 14. noch immer durch die Nacht von Abu Dhabi.

Für den Wiesbadener, der durch die doppelte Punktevergabe im letzten Rennen selbst noch berechtigte Hoffnungen auf den WM-Titel hatte und von der Pole Position startete, wurde das große Finale zum Albtraum. Ein technischer Defekt war in der 25. Runde eingetreten und hatte den Titelkampf frühzeitig entschieden. Rosberg nahm das Drama um sein defektes Hybridsystem jedoch mit beeindruckender Fassung hin. „Der ganz große Traum hat jetzt nicht geklappt. Das ist sehr enttäuschend“, sagte der 29-Jährige, der in dieser Saison fünf Rennen gewann und Hamilton im WM-Duell bis zum Schluss im Nacken saß.

Acht Monate und 18 Rennen lang hatten die beiden einander über Formel-1-Strecken auf fünf Kontinenten gejagt, sie hatten sich gegenseitig von der Strecke gedrängt und einmal sogar die Reifen beschädigt vor lauter Siegeshunger. Und dann dauerte es gerade einmal 300 Meter, bis der Kampf um den Titel praktisch entschieden war. Rosberg erwischte nach seiner Bestzeit im Qualifying den schwächsten Start der gesamten Saison. Schon vor der ersten Kurve war Hamilton vorbeigeschlüpft und fuhr sich fortan ein Polster heraus, das jeden Angriff seines Mercedes-Kollegen im Keim erstickte. Als nach 25 Runden das Energierückgewinnungssystem Kers an Rosbergs Silberpfeil zu streiken begann, war der Zweikampf endgültig entschieden.

„Nico hat das ganze Jahr über unglaublich gekämpft. Das war phänomenal“, sagte Hamilton nach einer Ehrenrunde und fügte hinzu: „Es war so intensiv das ganze Jahr zwischen uns. Es hätte heute jeder von uns sein können, der den Titel gewinnt.“ Am Ende aber war der elfmalige Saisonsieger aus Hertfordshire vermutlich der „richtige Weltmeister“, wie Mercedes-Chefkontrolleur Niki Lauda urteilte.

„Das ist der schönste Tag in meinem Leben“, beteuerte der neue Champion. Mit feuchten Augen lauschte er der britischen Hymne, Freundin Nicole Scherzinger vergoss im Zielraum Tränen. Ein wenig verloren in diesem Jubelrausch ließ sich Rosberg von Hamilton tröstend in den Arm nehmen. „Über die Saison gesehen war er der etwas bessere Fahrer“, gestand der geschlagene Deutsche schließlich fair ein. Daimler-Boss Dieter Zetsche lobte den ersten Champion im Werks-Mercedes seit Juan Manuel Fangio 1955 für seine „fantastische Leistung“. Und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff versprach enthusiastisch: „Heute Abend entern wir einen Nachtclub und nehmen ihn auseinander.“

Wolff ließ keine speziell gefertigten Siegershirts verteilen, aus Respekt vor dem Verlierer im Silberpfeil-Duell, wie er erklärte: „Wir wollen auch in Zukunft mit beiden gut zusammenarbeiten.“ Nach dem Rennen sprach er von gemischten Gefühlen: „Wir freuen uns für Lewis. Aber für Nico tut es uns leid.“

„Ich bin sehr enttäuscht. Es kamen viele Sachen zusammen, aber Lewis hätte so oder so gewonnen“, sagte der gebürtige Wiesbadener: „Aber für das Team war es ein grandioses Jahr. Ich bin glücklich, ein Teil davon gewesen zu sein.“ Mit 160 PS weniger als gewohnt verlor der Deutsche nach dem Defekt Platz um Platz und klammerte sich in der zweiten Rennhälfte nur noch an die Hoffnung, dass sein Rivale ebenfalls von einem schweren Defekt heimgesucht und zur Aufgabe gezwungen werden könnte. Doch das geschah nicht, im Gegenteil: Zwei Runden vor Schluss überrundete der neue Weltmeister seinen Garagennachbarn auch noch.

Er stößt mit seinem Sieg auch offiziell Sebastian Vettel vom Thron. Der Vierfach-Champion erlebte im letzten Rennen für das österreichische Red-Bull-Team ein Auf und Ab, das typisch war für seine Saison. Aufgrund eines verbotenen Frontflügels wurden der 27-Jährige und sein Kollege Daniel Ricciardo zum Start aus der Boxengasse verurteilt. Während der Australier sich auf Platz drei vorkämpfte und so seinen dritten Gesamtrang rechtfertigte, quälte sich Vettel als Achter ins Ziel und beendete die Saison nur auf Position fünf. Eine Woche noch, dann ist er offiziell Ferrari-Mitarbeiter.