Der Wiesbadener und Lewis Hamilton kämpfen im WM-Finale um den Formel-1-Titel

Abu Dhabi. Lewis Hamilton hat vor dem finalen Showdown um die Formel-1-Weltmeisterschaft seine fahrerische Klasse und Nervenstärke gezeigt. Der britische WM-Spitzenreiter fuhr am Freitag in Abu Dhabi in beiden freien Trainings zum letzten Rennen der Saison zur Bestzeit und ließ seinen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg bei seiner schnellsten Runde 0,083 Sekunden hinter sich. Dabei hatte sich Rosberg fest vorgenommen, seinen Widersacher aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Ich habe meine Runde nicht zusammenbekommen, bei ihm sah das viel sauberer aus“, bekannte der Gesamtzweite.

17 Punkte liegt der gebürtige Wiesbadener vor dem Rennen am Sonntag (14.00 Uhr/RTL und Sky) hinter Hamilton. Trotz der Vergabe doppelter Punkte auf dem Yas Marina Circuit genügt Rosberg auch ein Sieg nicht zum WM-Triumph, wenn sein Rivale Zweiter wird. „Ich bin guter Dinge, es ist sehr eng, und ich fühle mich gut im Auto“, beteuerte Rosberg dennoch und drohte seinem Konkurrenten noch einmal ein wenig: „Wenn ich die Abstimmung zusammenkriege, wird es schon passen.“ Hamilton will sich auf keinen Fall in einen Fehler zwingen lassen. „Ich werde sicher keine dummen Risiken eingehen, weil ich das nicht nötig habe“, schrieb der Engländer in einer BBC-Kolumne.

Der langjährige Teamchef Eddie Jordan sieht allein in der Konstellation vor dem Startschuss eine Gefahr für seinen Landsmann. „Lewis muss sich ernsthafte Gedanken machen, trotz seines Punktevorsprungs. Er muss auf Sieg fahren, darf aber gleichzeitig kein Risiko eingehen. Denn es gibt einige Fahrer, die in der Lage sind, seine Titelchancen zu zerstören.“ Im Training brachten sich mit Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo, Jean-Eric Vergne, Daniil Kwjat, Valtteri Bottas, Kimi Raikkönen und Felipe Massa gleich sieben Piloten als potenzielle Königsmacher für Rosberg in Stellung. Der gebürtige Wiesbadener setzt seine Hoffnungen vor allem auf einen der beiden Williams-Piloten: „Es wäre toll, wenn sie eine magische Form finden und irgendwie nach vorne kommen würden. Es wird schwierig den Williams zu überholen, weil er so schnell auf der Geraden ist.“

Schon als junge Kartfahrer waren die Jugendfreunde Hamilton und Rosberg um Meisterschaften gegeneinander gefahren, doch jetzt geht es um viel mehr. „Es ist ziemlich toll, dass wir jetzt 15 Jahre später tatsächlich in der Position sind, von der wir damals geträumt haben: im besten Formel-1-Team um Siege und den Titel kämpfen“, sagte Rosberg. „Aber jetzt ist das alles natürlich viel intensiver.“ Die Teamführung will nicht mehr in das Duell eingreifen. „Sie sollen frei sein, sie sollen machen können, was sie wollen, um Weltmeister werden zu können“, sagte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). „Ich hoffe nur, darauf achten wir ganz genau, dass beide Autos ohne Defekte durchkommen.“

Zu welch großem Gegner auch die enge Strecke in dem Emirat werden kann, erfuhr 2010 Fernando Alonso. Der Spanier, der am Sonntag nach fünf Jahren das letzte Rennen für Ferrari absolviert und sein Cockpit danach Vettel überlässt, hing seinerzeit rundenlang hinter dem Russen Witali Petrow fest und verlor am Ende nicht nur das Rennen, sondern die komplette Saison an den furios fahrenden Red-Bull-Piloten Vettel. „Das war eine unglaublich bittere Erfahrung“, ärgert sich der 33-Jährige noch immer.

Die Vergabe der doppelten Punktzahl ist die große Unbekannte in Mercedes’ Weltmeisterrechnung. Bei Rennställen wie Williams oder Red Bull, deren Platz im Konstrukteursklassement gut abgesichert ist, könnte die Sonderstellung des Rennens riskante Boxenstrategien auslösen. Schon bei den Rennen in Österreich, Kanada oder Ungarn waren beide Teams bereits in der Lage, die Pläne der Silberpfeile nachhaltig zu durchkreuzen – und dort ging es nur um die herkömmliche Punktzahl.

Und an Rennställen, die jeden Euro und jeden Funken Aufmerksamkeit gebrauchen können, mangelt es auch nicht. Durch die Finanzkrise, die die Formel 1 gepackt hat, müssen verarmte Teams wie Sauber, Force India sowie die ebenfalls angeschlagenen Privatteams Lotus und Williams allein aus Existenzgründen jeden Platz mit Zähnen und Klauen verteidigen. Jede Platzverbesserung entscheidet bei der Ausschüttung der Prämien über Millionensummen. Beträge, die für die kleinen Rennställe existenziell sind. So könnten auch deutsche Fahrer wie Nico Hülkenberg (Force India) oder Adrian Sutil (Sauber) zum Zünglein an der Waage werden.

Der einzige Fahrer, der wohl keine Gefahr für Hamilton darstellt, ist das gebrannte Kind Alonso. Der sagte: „Ich wünsche diese bittere Erfahrung weder Lewis noch Nico. Aber sie ist leider denkbar.“ Er weiß es besten.