US-Agenten fordern kompletten Bericht der Ethikkommission an. Ligapräsident Rauball bringt Abspaltung der Uefa ins Gespräch

Zürich. Der Fußballweltverband steckt in der schwersten Krise seiner 110-jährigen Geschichte. In der Debatte über den Bericht von Fifa-Ethikchef Hans-Joachim Eckert (München) zum Manipulationsverdacht bei den WM-Vergaben für 2018 und 2022 hat die Fifa-Spitze offenbar die Kontrolle verloren. Bezeichnend: Weltverbandschef Joseph Blatter ist abgetaucht.

Die Lage nach dem völlig missratenen Befreiungsschlag von allen Korruptionsvorwürfen gegen die nächsten WM-Gastgeber Russland (2018) und Katar (2022) stellt sich für Blatter und Co. desaströs dar: Chefermittler Michael J. Garcia (USA) legte wie angekündigt offiziell Protest gegen Eckerts Report ein, die US-Bundespolizei verstärkte ihre Ermittlungen, die Europäische Union (EU) drohte mit Konsequenzen, und in Deutschland brachte Ligapräsident Reinhard Rauball sogar eine Abspaltung des Europaverbands ins Gespräch.

Im Zuge von Garcias früheren Untersuchungen laufen mittlerweile auch wieder Ermittlungen gegen Franz Beckenbauer. Laut Informationen der „Welt am Sonntag“ überprüfen die Fahnder eine Katar-Reise des „Kaisers“ im Jahr 2009. 14 Monate vor Katars Wahl zum WM-Gastgeber sollte Beckenbauer, damals Mitglied der Fifa-Exekutive, die Araber offenbar auch im Sinne einer Vereinbarung des DFB mit Katars Konkurrenz Australien zu einem Verzicht auf die Kandidatur für 2022 bewegen.

Unterdessen hält die Verwirrung um den Bericht von Eckert an: Gegenüber der „FAZ“ bezeichnete der Landgerichtsrichter seinen Bericht, in dem er das WM-Vergabeverfahren für die Ethikkommission mangels Anhaltspunkten für Korruption für abgeschlossen erklärt hatte, als „Zwischenstand“ und gestand Garcia Ermittlungen „für den Abschlussbericht“ zu.

An der Kraft der „Weltregierung des Fußballs“ zur radikalen Kurskorrektur im Sumpf aus Manipulationen und Intrigen zweifelt Jurist Rauball nach Eckerts Report mehr denn je. „Das Ergebnis erschüttert die Grundfesten der Fifa, wie ich es noch nicht erlebt habe. Wenn diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der Fifa überhaupt noch gut aufgehoben ist. Eine Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass die Uefa sich von der Fifa löst“, sagte der Dortmunder bei „kicker.de“.

Auch wenn Europas Abspaltung nicht realistisch erscheint, sieht der Präsident von Borussia Dortmund die Fifa zur Veröffentlichung von Garcias Erkenntnissen in der Pflicht. Es müsse deutlich werden, „was angeklagt und was wie beurteilt worden ist“.

Scharf auf Garcias Akten ist auch das FBI. Die US-Agenten wollen auf offiziellen Wegen in den Besitz der bislang von der Fifa unter Verschluss gehaltenen „Anklageschrift“ des früheren US-Bundesanwaltes gelangen.