Johnathon Banks ist der jüngste Weltmeistertrainer – und der einzige, der noch aktiv boxt. Ihm droht sogar ein Kampf gegen seinen Schützling Wladimir Klitschko.

Hamburg. Es gibt sie noch immer, jene Momente, in denen sich Johnathon Banks fragt, warum er damals der Auserwählte war. Warum das Schicksal es so gut mit ihm meinte vor zwei Jahren, als Wladimir Klitschko ihn fragte, ob er sich vorstellen könne, sein Cheftrainer zu werden. Ende Oktober 2012 war das, gerade war Emanuel Steward an Krebs verstorben; jene US-Trainerlegende, die sowohl Klitschko als auch Banks betreute, wobei dieses Wort längst nicht auszudrücken vermag, welche Bedeutung Steward für Banks’ Leben hatte. „Manny hat mich geprägt, er war wie ein Vater für mich. Durch ihn bin ich geworden, was ich heute bin“, sagt Johnathon Banks, und es ist viel mehr als eine nette Floskel, die man über einen Verstorbenen so dahersagt.

Banks, aufgewachsen in Detroit mit zehn Geschwistern, wäre ohne Stewards Einfluss nicht der Boxer geworden, der er ist. Vor allem aber wäre er niemals Klitschkos Trainer geworden, denn wahrscheinlich wären sie sich nie begegnet, wenn der heutige Dreifachweltmeister im Schwergewicht, der seine Titel nach Version von WBA, WBO und IBF am Sonnabend (22.10 Uhr/RTL) in der Hamburger O2 World gegen den Bulgaren Kubrat Pulev verteidigt, nicht im Frühjahr 2004 seinen langjährigen Coach Fritz Sdunek verlassen und sich unter Stewards Fittiche begeben hätte.

Ein paar Monate später, Klitschko hatte im April 2004 in Las Vegas durch K.o. gegen Lamon Brewster verloren und war am Tiefpunkt seines sportlichen Wirkens angelangt, lernten sich Banks und der Ukrainer kennen. Banks war damals gerade 22 Jahre alt, hatte zwei Profikämpfe im Cruisergewicht bestritten, er war ein Mann, der nach oben wollte und deshalb bereit war, mit den besten Schwergewichtlern ins Sparring zu gehen. Und Steward war der Überzeugung, dass ebenjener Draufgänger genau der richtige Trainingspartner sei für seinen gefallenen Star.

„Diese Zeit im Herbst 2004 war der Beginn der Beziehung, die Wladimir und ich heute haben“, sagt Banks. „Ich habe ihn erlebt, als er am Boden lag, und habe gesehen, wie er den Weg zurück gefunden hat. Wir haben in jener Phase gelernt, Vertrauen zueinander aufzubauen. Rückblickend war das vielleicht die wichtigste Zeit meines Lebens.“ Klitschko schätzte schon damals die bedächtige Art, in der Banks über das Boxen redete und nachdachte. Dieser Amerikaner war so anders als er selbst, er lebte das Boxen, konnte aber dennoch mit dem nötigen Abstand darüber reflektieren. „Für mich gab es nie ein anderes Ziel, als Boxer zu werden“, sagt Banks, „aber ich wollte mir auch immer den Blick von außen bewahren.“

Vor vier Jahren sprach Klitschko Banks erstmals auf das Trainerthema an

Der 32-Jährige erinnert sich an einen Tag vor vier Jahren, als Klitschko in einem gemeinsamen Trainingscamp im Tiroler Stanglwirt zu ihm sagte: „JB, wenn ich irgendwann mal einen Trainer suchen würde, dann würde ich dich nehmen.“ Warum, fragte er zurück. „Ich mag die Art, wie du über Boxen redest und denkst“, war die Antwort. Banks maß ihr keinerlei Bedeutung bei. Dass sie gute zwei Jahre später aktuell werden würde, hätten sich beide niemals gewünscht.

Und doch ist Johnathon Banks überglücklich damit, wie sich sein Leben seit Ende Oktober 2012 entwickelt hat. Wobei auch das noch maßlos untertrieben ist. „Es ist für mich die größte Ehre und noch immer unfassbar, dass Wladimir mich wirklich gefragt hat. Er hätte jeden fragen können, und er hätte jeden gekriegt. Dass ich es bin, der ihn jetzt trainiert, ist ein Wunder“, sagt er. Ein Wunder, das ihn vor allem eins gelehrt hat: Nicht mehr so viel vorauszuplanen, sondern die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. „Das Leben kann sich so schnell komplett verändern. Ich denke jeden Tag, jeden Augenblick an Manny. Aber dass nach seinem Tod so viel Gutes passieren würde in meinem Leben, hätte ich nicht erwartet“, sagt er.

Banks, der als 14-Jähriger mit dem Boxen begann, ist nicht nur der jüngste Cheftrainer eines Schwergewichtschampions aller Zeiten. Er ist auch der einzige Weltmeistertrainer, den es jemals gab, der selbst noch aktiv ist, am 11.Dezember tritt er gegen seinen Landsmann Antonio Tarver an. „Das sind zwei Rekorde, die mir wirklich viel bedeuten“, sagt er. Die eigene Karriere aufzugeben, um nur für Klitschko da zu sein, war für ihn nie eine Option. „Für mich ist das überhaupt kein Problem, beides unter einen Hut zu bekommen. Ich kann ein Camp mit Wladimir auch nutzen, um mich selbst in Form zu bringen. Und ich habe weiterhin meine Träume“, sagt er.

Das Ziel, Weltmeister im Schwergewicht zu werden, hat Banks nicht aufgegeben. Dass er dafür möglicherweise seinem eigenen Schützling im Ring entgegentreten müsste, verdrängt er bislang. „Ein Kampf gegen Wladimir kam in meinen Gedanken niemals vor, seit wir uns 2004 kennen gelernt haben. Wenn es wirklich so käme, müssten wir uns dann Gedanken darüber machen. Aber vielleicht tritt er ja zurück, bevor ich meine Titelchance bekomme. Niemand weiß doch, was die Zukunft bringt“, sagt er.

Ein Rücktritt ist derzeit nicht einmal ansatzweise ein Thema. „Wenn Wladimir weiter so fokussiert und diszipliniert arbeitet, dann gibt es für ihn kein Limit. Es gibt niemanden, der ihn gefährden kann, wenn er seine Leistung abruft. Und wenn er zurücktritt, dann wird es viele Jahre dauern, bis wieder ein Kämpfer das Schwergewicht so dominieren wird, wie er es tut“, sagt er.

Banks hat versucht, die Arbeit Stewards weiterzuführen, er hat es geschafft, Klitschko zu etwas mehr Aggressivität und Risikobereitschaft zu bewegen. „Aber der größte Unterschied zu früher ist, dass wir viel mehr reden und ich einen ganz anderen Blick auf den Menschen Klitschko gewonnen habe“, sagt er. Was aber wird aus einem, der mit der größtmöglichen Herausforderung auf die Trainerstraße eingebogen ist, wenn der mutmaßlich größte Sportler, den er jemals trainiert haben wird, abtritt?

Folgt dann Leere, weil alles andere nur abfallen kann dagegen? Banks ist überzeugt, dass es nicht so kommen wird. Schon jetzt erhält er viele Anfragen, die er mangels Zeit allesamt ablehnt. Er weiß, dass er sich fast jeden Job wird aussuchen können, wenn er einst nicht mehr Klitschko trainiert. Vor allem aber hat er gelernt, dass es noch besser kommen kann im Leben, auch wenn man glaubt, dass alles gut ist. „Man kann jeden Tag dazulernen und sich verbessern“, sagt er, „nur wenn man das nicht mehr tut, ist das Leben vorbei.“ In solchen Momenten ahnt man, warum Klitschko vor zwei Jahren niemand anderen fragte als Johnathon Banks.