Fünf Tage vor der Vorstandswahl im Tennis-Bund weiß Michael Stich noch nicht, ob er als Präsident kandidieren wird

Hamburg. Zunächst die gesicherten Fakten: An diesem Sonntag um 10 Uhr werden die im Bundesausschuss (BA) zusammengeschlossenen Präsidenten der 18 Landesverbände (LV) im Hotel Steigenberger am Kanzleramt in Berlin versuchen, dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) ein neues Präsidium zu wählen. Amtsinhaber Karl-Georg Altenburg und sein Team treten ab. Über diese Fakten hinaus herrscht im größten Tennisverband der Welt vor allem eines: Ratlosigkeit. Niemand weiß, wer als Nachfolger zur Wahl stehen wird.

Einer, der für Klarheit sorgen könnte, ist Michael Stich. Der 46-Jährige, Wimbledonsieger von 1991 und derzeit Turnierdirektor am Hamburger Rothenbaum, hatte seine Bereitschaft, dem Verband als Präsident zu dienen, erstmals im Juli vor der Findungskommission des BA erklärt. Seitdem ist viel über ihn und nur wenig mit ihm geredet worden. Um das zu ändern, versammelte der Hamburger am Dienstagvormittag eine Runde von Medienvertretern im Elysée-Hotel am Dammtor, um ihnen den Status quo seiner Gedanken zu präsentieren. Die Quintessenz, das musste Stich selbst einräumen, war auch für ihn unbefriedigend. Noch immer ist unklar, ob er am Sonntag zur Wahl antreten wird.

„Mein Bedürfnis, mich dem DTB zur Verfügung zu stellen, hat sich nicht verändert. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder schaffe ich es ein Team zusammenzustellen, mit dem ich die Aufgabe angehen kann. Oder ich schaffe es nicht, dann trete ich nicht an. Ich wüsste selbst gern mehr, aber ich bin noch in der Findungsphase“, sagte er. Am 2. November hatte Stich in seiner einstündigen Vorstellungsrede vor dem BA, um die er mehrere Monate vergebens ersucht hatte, seine Bereitschaft erklärt, auch als Vizepräsident unter einem der anderen mutmaßlichen Präsidentschaftskandidaten, dem bayerischen Landesfürsten Helmut Schmidbauer und dem Präsidenten von Rheinland-Pfalz, Ulrich Klaus, arbeiten zu wollen.

Diese Möglichkeit ist nun allerdings abgehakt. Schmidbauer steht für das Präsidentenamt aus beruflichen Gründen nicht zur Verfügung. Klaus, der Stichs Vorstellung am 2. November als einer von zwei LV-Chefs unentschuldigt ferngeblieben war, hatte sich Ende vergangener Woche für sein Verhalten entschuldigt. Am Montag nun erklärte Klaus Stich in einem weiteren Telefonat, er wünsche eine Mitarbeit des früheren Weltranglistenzweiten in seinem Kabinett, eine Bezahlung sehe aber die Satzung nicht vor. „Für mich hat sich das Thema Vizepräsident damit erledigt“, stellte Stich klar.

Dagegen ist er, anders als noch vor Wochenfrist, mittlerweile grundsätzlich bereit dazu, am Sonntag zu einer Abstimmung gegen Klaus anzutreten. Ursprünglich war eine seiner Forderungen gewesen, einstimmig gewählt zu werden, sollte er als Präsident kandidieren. „Einstimmigkeit ist im Bundesausschuss nicht hinzukriegen“, sagte er nun, und das stimmt. Hatte das Gremium im Juli und erneut im September noch öffentlich verkündet, sich geschlossen hinter Klaus und dessen Team stellen zu wollen, so gibt es längst diverse LV-Chefs, die Stich unbedingt einbinden möchten.

So könnte es zu der fatalen Situation kommen, dass der DTB am Sonntag ohne Führung dasteht. Dann nämlich, wenn die Satzungsänderung, die Klaus benötigt, um sein aus vier LV-Chefs bestehendes Präsidium ins Amt zu hieven, keine Zweidrittelmehrheit bekommt. Bislang ist es LV-Chefs nicht erlaubt, gleichzeitig ein DTB-Amt zu bekleiden. Klaus hat intern bereits angekündigt seine Kandidatur zurückzuziehen, sollte die Satzung nicht geändert werden.

Stich nutzte das Mediengespräch auch, um seine Ideen für eine erfolgreiche Zukunft des DTB zu skizzieren, die er bislang lediglich den am 2. November anwesenden BA-Mitgliedern präsentiert hatte. Zentrale Punkte sind: Stärkere Förderung des Leistungssports durch Schaffung eines nationalen Leistungszentrums, Austausch mit anderen Verbänden und bessere Trainerausbildung. Ausweitung des Breitensports über die Anbindung von Hobbyspielern an einen neu zu gründenden Deutschen Tennis-Club. Verbesserung der internationalen Beziehungen durch Rückkehr in derzeit unbesetzte Gremien. Schaffung eines bezahlten Präsidiums, finanziert durch Pflichtmitgliedschaften bei „mybigpoint“, dem nationalen Turnier- und Spielerportal des DTB.

Stich weiß, dass er mit vielen seiner Ideen auf Konfrontationskurs geht. Er ist bereit zu Kompromissen, seine Vorschläge seien als „Verhandlungsbasis“ gemeint gewesen, man müsse über alles reden können. Die Vorbehalte einiger Länderchefs, er könne sich durch die Verquickung der Ämter als DTB-Präsident und Rothenbaum-Turnierdirektor selbst übervorteilen, kann er zwar nicht verstehen, dennoch könne man auch dafür Lösungen finden. „Wenn der Wille besteht mich einzubinden, werden wir Wege finden“, sagt er. Aber: Nur mal kurz den DTB retten, das ist nicht seine Absicht, er will nachhaltige Reformen durchsetzen, weil er der Überzeugung ist, dass der klamme Verband diese dringend benötigt.

„Das Bild, das wir als gesamter Verband derzeit nach außen abgeben, ist ein schlechtes“, sagte Michael Stich zum Abschluss des Gesprächs. Auch das ist ein gesicherter Fakt.