Der aktuelle Herausforderer Kubrat Pulev fehlt auf der Pressekonferenz, Shannon Briggs bringt sich mit irrem Stalking ins Gespräch

Hamburg. Das Profiboxen ist bisweilen ein seltsamer Zirkus, aber dass Leute mit leeren Stühlen sprechen, sieht man selbst in diesem Sport selten. „Immer wieder etwas Neues“, das war der lapidare Kommentar von Wladimir Klitschko, der am Montag auf der Pressekonferenz im Elysée-Hotel am Dammtor, auf der der Dreifachchampion im Schwergewicht für seine an diesem Sonnabend (22.10 Uhr/RTL) in der Hamburger O2 World geplante Titelverteidigung werben wollte, plötzlich ohne seinen bulgarischen Pflichtherausforderer Kubrat Pulev dastand.

Weil Klitschko-Manager Bernd Bönte und Pulevs Promoter Sauerland Event seit Jahren eine Privatfehde pflegen, sich bislang nicht auf einen Kampfvertrag einigen konnten und selbst Schlichtungsversuche des Weltverbands IBF gescheitert waren, wollte Bönte nicht die sechsköpfige Entourage Pulevs zum Mediengespräch zulassen. Daraufhin entschied der Bulgare, Geschlossenheit mit seinem Team zu demonstrieren und sein Rederecht nicht wahrzunehmen. Klitschko, 38, stellte demonstrativ den Stuhl, der für den 33-Jährigen vorgesehen war, auf den Tisch, und richtete ein paar Worte des Bedauerns an den imaginären Kontrahenten. Slapstick war das, das große Kino folgt hoffentlich im Ring. Dass Pulev sich seine Rekordbörse von 1,4 Millionen Euro (Klitschko kassiert das Vierfache) nicht entgehen lassen wird, bekräftigte sein Promoter Kalle Sauerland, der mit dem Boxer in der Hotellobby ausharrte.

Ebenso überraschend wie das Fernbleiben des Bulgaren war, dass ein Mann nicht auftauchte, der am Montagmorgen in den sozialen Netzwerken seine Ankunft in Deutschland vermeldet hatte: Shannon Briggs. Der US-Amerikaner, der vor acht Jahren WBO-Weltmeister war, vor vier Jahren jedoch vom älteren Klitschko-Bruder Vitali ins Krankenhaus geprügelt wurde, danach fast vier Jahre pausierte und seit seinem Comeback sechs Siege gegen namenlose Aufbaugegner schaffte, hat es als „Klitschko-Stalker“ zu trauriger Berühmtheit gebracht. Der 42-Jährige sieht es als seine Bestimmung an, Wladimir überall aufzulauern und mit verbalen und körperlichen Provokationen zum Duell herauszufordern.

Seinen Anfang nahm das unrühmliche Schauspiel mit Streitereien im Trainingsgym in Florida, zuletzt gipfelte es in einer Motorboot-Attacke auf den mit Stand-up-Paddling vor Floridas Küste beschäftigten Weltmeister. Der hatte Briggs’ Frotzeleien anfangs mit Humor genommen, der gefährliche Vorfall im Meer hat ihn jedoch umdenken lassen. „So sauer wie nach dem Angriff habe ich Wlad noch nie erlebt“, sagt Trainingscamp-Manager David Williams.

Dass der US-Hüne mit seiner Taktik, sich einen letzten Zahltag zu verschaffen, Erfolg haben könnte, lassen die jüngsten Einlassungen von Klitschko und dessen TV-Exklusivpartner RTL befürchten. Briggs, der seine Attacken laut eigener Aussage von einem Sponsor finanziert bekommt, lässt sich stets von einem Kamerateam begleiten, das die Filmchen sofort ins Internet stellt. Die siebenstelligen Zugriffsraten dürften beim Kölner Privatsender die Hoffnung auf hohe Einschaltquoten befeuert haben, zumal Briggs sich schon vor dem Duell mit Vitali Klitschko als herausragender Showman präsentiert hatte. Zwar dementierte RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer vehement jegliche Absicht, Briggs einen zweiten Deutschland-Auftritt zu verschaffen, in einem von ihm verbreiteten Interview spricht Wladimir Klitschko jedoch ausführlich über seinen Provokateur, der schon am Mittwoch zum Pressetraining in einem Hamburger Autohaus erwartet wird. Ein Hausverbot, das ihn am Zutritt hindern könnte, gibt es nicht. Ein seltsamer Zirkus, dieses Profiboxen.