Stuttgart. Susi Kentikian hasst Narben. Oft schon hat sie sich geärgert nach Kämpfen, wenn unabsichtliche Kopfstöße Platzwunden in ihrem Gesicht hinterlassen hatten. In der Nacht zum Sonntag in der Stuttgarter Porsche Arena jedoch, da war der mit drei Stichen genähte Cut über dem rechten Auge, den die WBA-Fliegengewichtsweltmeisterin noch im Ring notdürftig mit einem Pflaster abgeklebt hatte, überhaupt kein Thema für die 27-Jährige. Vielmehr freute sie sich nach zehn unterhaltsamen Runden über das Niveau, auf dem sie sich mit der Japanerin Naoko Fujioka gemessen hatte. „Das sind die Kämpfe, die ich brauche, um besser zu werden“, sagte die Hamburgerin.

Viel hatte auf dem Spiel gestanden für die 153 cm kleine „Killer Queen“. Ein überzeugender Sieg, das war ihr vor dem Duell mit der 39 Jahre alten Superfliegengewichts-Championesse klar gewesen, sollte die Grundlage bilden für die Gespräche über ihre Zukunft, die sie mit ihrem Promoter Felix Sturm führen will. Es wurde zwar ein sehr hart erarbeiteter Erfolg, aber einer, der an einen fruchtbaren Fortgang ihrer Karriere glauben lässt. Der einstimmige Punktsieg (97:93, 97:94, 96:94) war verdient, vor allem hatte er unterstrichen, dass die gebürtige Armenierin mit der Weltspitze zu konkurrieren imstande ist.

Mit schnellen Konterattacken, meist als Kopfhaken über die hängende Deckung der Japanerin geschlagen, und einer guten Beinarbeit konnte sich Kentikian gegen Fujioka behaupten. Was ihr nicht gelang, das war, ihre Schlagvariabilität unter Beweis zu stellen. Alles ging über die Außenbahn, Aufwärtshaken waren kaum zu sehen. „Ich habe das im Verlauf des Kampfes selbst gemerkt, dass ich zu statisch angegriffen habe. Aber gegen eine solche Gegnerin, die in jeder Sekunde gefährlich war, ist es schwer, so etwas während eines Kampfes umzustellen“, sagte sie.

Was dagegen überzeugte, war die Aggressivität, mit der die ehemalige Universum-Kämpferin zu Werke ging. „Das war ein bisschen die alte Susi“, lachte Kentikian, die in ihrer Anfangszeit ihre Gegnerinnen meist ohne Rücksicht auf Verluste überrollt hatte. Der Unterschied war, dass damals wenig Gegenwehr kam. Heute bewegen sich ihre Kontrahentinnen auf einem Niveau, das Kontrollverluste nicht verzeiht. Aber genau das ist es, was Kentikian will: Kämpfe auf Augenhöhe, die ihr wieder die Aufmerksamkeit verschaffen, die sie sich für ihre Arbeit wünscht. Ein kleiner Cut ist angesichts solch großer Ziele zu verschmerzen.