Engländer fährt nach Sieg in Austin dem WM-Titel in der Formel 1 entgegen. Der Rivale bemüht das Prinzip Hoffnung

Austin . Bis Los Angeles sind es von Austin mehr als 1500 Kilometer und trotzdem wehte nach dem Großen Preis der USA ein Hauch von Hollywood durch das Fahrerlager. Lewis Hamilton stand nach seinem souveränen Sieg mit champagnerverklebtem Haar vor dem Mercedes-Motorhome und erfüllte die letzten Autogramm- und Fotowünsche, als ihn ein amerikanischer Formel-1-Reporter ansprach. Wie er das mache, wollte der Mann wissen: „Sie wirken so ausgeglichen wie ein Jedi-Ritter.“ Der Brite, dem Ex-Pilot David Coulthard kürzlich eine „Buddha-ähnliche Gelassenheit“ attestiert hatte, schaute verdutzt, und grinste dann von einem Brillantohrring zum anderen: „Cooler Vergleich, vielen Dank.“

Die Macht war im drittletzten Rennen der Saison definitiv mit ihm gewesen und nicht mit dem Mann, der sich zu Halloween noch eine Maske von Star-Wars-Bösewicht Darth Vader aufgesetzt hatte. 24 Runden lang hatte Hamilton sich seinen vor ihm gestarteten Mercedes-Kollegen Nico Rosberg zurechtgelegt, ehe er ihn mit einem entschlossenen Manöver überholte. Wie schon in Monza und Suzuka düpierte der Champion von 2008 seinen letzten Verfolger, obwohl er zu Rennbeginn die schlechtere Ausgangsposition hatte. Der Lohn: 24 WM-Punkte Vorsprung, ein persönlicher Rekord von fünf Renntriumphen in Folge und beinahe alle Trümpfe im Titelkampf. „Das ist ein unglaublicher Lauf. Diese ganze Saison ist schon unbeschreiblich.“ Mit seinen insgesamt 32 Grand-Prix-Siegen, einem mehr als Nigel Mansell, kürte er sich quasi nebenbei auch zum erfolgreichsten britischen Formel-1-Piloten der Geschichte.

Der Leidtragende war wieder einmal Rosberg. Der gebürtige Wiesbadener fährt in dieser Saison so konstant wie noch nie, in vielen anderen Jahren hätten seine Resultate wohl zum Titelgewinn gereicht. Mit Ausnahme des turbulenten Regenrennens in Ungarn, in dem er Dritter wurde, und der beiden technisch bedingten Ausfälle in Silverstone und Singapur kam der 29-Jährige immer als Erster oder Zweiter ins Ziel. Er gilt als akribischer Stratege, wahrer Meister bei der Einstellung seines Dienstwagens auf die äußeren Bedingungen und als besserer Teamplayer sowieso. Doch in den direkten Duellen war er zumeist langsamer als sein Garagennachbar, der ihn auch in Austin so lange über den Kurs hetzte, bis Rosberg ein Moment der Schwäche ereilte.

Sofort zog Hamilton davon, sein Teamgefährte konnte trotz identischen Materials kaum folgen und erst recht keine Gegenattacken starten. „Ich habe nur schwer meinen Rhythmus gefunden“, sagte der Deutsche später: „Es war ein kompliziertes Rennen.“ Er tat de facto aber auch nichts, um es sich leichter zu machen. Während etwa Weltmeister Sebastian Vettel auf eine riskante Drei-Stopp-Strategie setzte und damit in den letzten fünf Runden sieben Plätze gutmachte (am Ende wurde er Siebter), blieb Rosberg trotz des konstanten Rückstands bei seiner vor dem Start festgelegten Marschroute. Genau wie Hamilton kam er zweimal zum Boxenstopp, einmal eine Runde früher, einmal eine Runde später als der Mann aus Stevenage.

Beide benötigten jeweils fast identische Standzeiten, was in der Konsequenz zu sehr starren Kräfteverhältnissen führt. Man habe am Prinzip der völligen Gleichberechtigung festgehalten und damit verhindern wollen, dass die Weltmeisterschaft womöglich durch einen Strategiefehler entschieden wird, erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff später: „Wir haben dadurch auch schon ein Rennen verloren.“ So feierten die Silberpfeile zwar den zehnten Doppelsieg, eine solche Dominanz hat es seit der legendären McLaren-Saison von Ayrton Senna und Alain Prost vor 26 Jahren nicht mehr gegeben. Für Rosberg bedeutete der jedoch eine herbe Niederlage im Kampf um die Formel-1-Krone.

Nach der Zieldurchfahrt entschuldigte sich der Weltmeistersohn bei seiner Crew, auf dem Podest verfolgte er die Siegerehrung mit hängenden Schultern. „Ich hab mich im Umgang mit schlechten Tagen extrem verbessert“, bekannte er später tapfer: „Vor einigen Jahren hätte ich nach solchen Rennen noch länger nachgedacht. Heute schalte ich schneller um. Das bringt die Erfahrung so mit sich.“ Seit acht Jahren fährt er nun in der Königsklasse. Einen Titel konnte er noch nie gewinnen.

Rosberg will in São Paulo und Abu Dhabi um seine kleine Chance kämpfen

Damit das bei noch zwei ausstehenden Rennen gelingt, muss er nicht nur mental schnell die Kurve kriegen. Siege in Sao Paulo und Abu Dhabi konnte er in seiner Laufbahn noch nie feiern. Jetzt sind sie fast schon Pflicht. „Der Ansatz bleibt der gleiche: voller Einsatz, volle Attacke, versuchen die Pole zu holen und in São Paulo zu gewinnen“, skizzierte er seine Vorsätze: „Es gibt noch eine Menge Punkte zu holen und eine Menge kann passieren.“ Das mag formal zwar stimmen. Aus eigener Kraft ist der Titelgewinn jedoch nicht mehr möglich – trotz der erstmals vergebenen doppelten Punktemenge beim Schluss-Grand-Prix am Persischen Golf. Hamilton hat seinen Mannschaftskameraden in dieser Saison oft genug überholt, um als würdiger Weltmeister zu gelten. Jetzt ist es an Rosberg, zu beweisen, dass das umgekehrt auch für ihn gilt.