Nach dem Eklat um eine albanische Fahne will der serbische Fußballverband das Spiel mit 3:0 Toren zu seinen Gunsten werten. Der Spielabbruch zieht inzwischen Kreise bis in die oberste Politik.

Belgrad. Das EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien ist am Dienstagabend nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Spielern und Zuschauern abgebrochen worden. Auslöser der Krawalle war ein Zwischenfall in der 42. Minute, als eine Drohne mit einer großalbanischen Flagge über das Stadion in Belgrad hinwegflog. In der Folge kam es auf dem Spielfeld zu einer Rudelbildung, in deren Verlauf auch einige Zuschauer den Innenraum stürmten und vereinzelt albanische Spieler attackierten.

Wie serbische Medien am Mittwoch übereinstimmend berichten, soll Olsi Rama, Bruder des albanischen Regierungschef Edi Rama, hinter der Provokation stecken. Dieser sei noch am Dienstagabend in der VIP-Loge des Stadions vorübergehend festgenommen worden, nachdem bei ihm die Fernsteuerung für den Modellflieger gefunden worden sei. Aus regierungsnahen Kreisen Albaniens wurde die Verhaftung allerdings dementiert.

Rama, der einen US-Pass besitze, sei schnell wieder freigelassen worden und habe gemeinsam mit der albanischen Fußball-Nationalmannschaft noch in der Nacht das Land per Flugzeug verlassen, meldeten die Medien weiter. Laut den Berichten soll die Drohne außerhalb des Stadions gestartet und von Rama aufs Feld gelenkt worden sein.

Serbien fordert Sieg am Grünen Tisch

Der serbische Fußballverband FSS hat die Europäische Fußball-Union (UEFA) einen Tag nach dem Skandalspiel von Belgrad aufgefordert, die Partie mit 3:0-Toren und drei Punkten zu seinen Gunsten zu werten. Dies geht aus einer Pressemitteilung hervor, die der Verband am Mittwoch auf seiner Internetseite veröffenlicht hat.

In der FSS-Mitteilung hatte es zuvor geheißen, dass serbische Fußballer von ihren albanischen Kontrahenten angegangen worden seien. Nach intensiver Beratung mit UEFA-Delegierten offenbarte der FSS einige Zeit nach der vorläufigen Unterbrechung den Vertretern des albanischen Verbandes FSHF laut Pressemitteilung drei Möglichkeiten: Die normale Fortsetzung des Spiels, die Fortsetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowie eine Wiederholung des Spiels am Mittwoch.

Der FSHF soll jedoch alle drei Vorschläge abgelehnt haben und deshalb „die Schuld am vorzeitigen Ende“ tragen. Aus diesem Grund forderte der serbische Verband einen Sieg am Grünen Tisch.

Serbiens Außenminister schiebt Schuld auf Albanien

„Die genauen Umstände“ würden nun der Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer der Uefa gemeldet, teilte die Europäische Fußball-Union noch am Dienstagabend auf ihrer Internetseite mit. Dafür wolle man auf die Sonderberichte des Schiedsrichters und der offiziellen Spielbeobachter warten. Erst dann könne über das weitere Vorgehen informiert und der Termin für die Anhörung vor der Disziplinarkommission bekanntgegeben werden, sagte ein Sprecher am Mittwochmorgen.

Inzwischen meldete sich auch der serbische Außenminister Ivica Dacic zu Wort und schob alle Schuld den Albanern zu. „Serbien trägt keinerlei Verantwortung für den Spielabbruch“, sagte der Spitzenpolitiker der größten Zeitung „Blic“ am Mittwoch in Belgrad. Vor dem Spiel habe die EU auf Serbien massiven Druck ausgeübt, den albanischen Zuschauern den Weg ins Stadion zu ermöglichen, obwohl die serbischen Behörden sie am Flughafen festhalten wollten.

„Wenn jemand aus Serbien in Tirana oder in Pristina eine Fahne Großserbiens entrollt hätte, dann wäre das schon auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrates“, sagte Dacic weiter: „Besonders problematisch ist die Tatsache, dass das der Bruder des albanischen Premiers getan hat, der hier Gast sein sollte. Das verleiht dem ganzen Fall eine politische Dimension und ist eine politische Provokation“.

Auch Fifa-Präsident verurteilte die Vorfälle aufs Schärfste. „Fußball sollte niemals für politische Botschaften benutzt werden. Ich missbillige zutiefst, was letzten Abend in Belgrad geschehen ist“, twitterte der Boss des Fußball-Weltverbandes.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Serbien ist Wiederholungstäter bei Ausschreitungen


Der englische Unparteiische Martin Atkinson hatte die Partie kurz vor der Halbzeit beim Stand von 0:0 zunächst unterbrochen. Der serbische Bundesliga-Profi Stefan Mitrovic vom SC Freiburg riss die Flagge an sich, woraufhin albanische Spieler auf ihn losgingen. Aufgebrachte serbische Zuschauer stürmten aufs Spielfeld und attackierten albanische Spieler, die sich in die Umkleideräume retten wollten. Die Partie wurde nach dem politischen Eklat nicht wieder angepfiffen.

Nach einer Stunde Unterbrechung kehrten die serbischen Fußballer noch einmal kurz auf den Rasen zurück, um sich von ihren Fans zu verabschieden. Nach serbischen Berichten sollen sich die albanischen Spieler geweigert haben, das Match fortzusetzen. Sie hätten als Bedingung verlangt, dass alle Zuschauer das Stadion verlassen.

Auf Empfehlung der Uefa waren keine albanischen Anhänger zu dem Länderspiel gereist, hatte der albanische Verband am Montag mitgeteilt. Im Gegenzug würden auch keine serbischen Fans zum Rückspiel im nächsten Jahr nach Tirana reisen. Darauf hätten sich die nationalen Verbände geeinigt. Allerdings waren einige wenige albanische Fans privat nach Belgrad gereist.

Es waren nicht die ersten gewalttätigen Ausschreitungen mit Beteiligung Serbiens. Kurz vor Ende und nach dem Schlusspfiff der U21-Partie gegen England am 16. Oktober 2012 in Belgrad war es zu Randalen auf den Rängen sowie handgreiflichen Auseinandersetzungen auf dem Rasen gekommen. Die englischen Spieler beklagten dabei, auch rassistisch beleidigt worden zu sein.

Schon im Februar 2011 hatte Uefa-Präsident Michel Platini Serbien bei weiteren Krawallen mit dem Ausschluss von kontinentalen Wettbewerben gedroht. Im Oktober 2010 war das EM-Qualifikationsspiel gegen Italien in Genua wegen der Randale serbischer Anhänger abgebrochen worden.

Der albanische Ministerpräsident Edi Rama wird am kommenden Mittwoch zum ersten Staatsbesuch seit 68 Jahren in Serbien erwartet.