Hockeystürmer Daniel von Drachenfels wechselte im Sommer von Alster zum HTHC. Am Sonnabend kommt es zum Treffen mit dem Ex-Verein

Hamburg. Da war dieses Testspiel in der Saisonvorbereitung. Daniel von Drachenfels hörte, wie Joachim Mahn von der Seitenlinie seine Befehle bellte, und er fühlte sich angesprochen, schließlich war Mahn sechs Jahre lang sein Trainer gewesen. Und als er einmal im Reflex den Ball weiterleiten wollte, da hätte er beinahe einen in Grau und Rot gekleideten Akteur des Clubs an der Alster angespielt, weil er glaubte, selbst das rote Alster-Shirt zu tragen, wie er es sechs Jahre lang getan hatte.

Am Sonnabend (14 Uhr, Barmbeker Straße) wird Daniel von Drachenfels ganz besonders aufpassen müssen, dass er nicht auf Mahns Worte hört und keine rot-grauen Spieler anspielt. Es ist Stadtderbyzeit in der Feldhockey-Bundesliga, und der 28-Jährige trägt seit diesem Sommer Schwarz und Gelb, die Farben des Harvestehuder THC. Es ist das erste Derby für von Drachenfels gegen seinen langjährigen Verein, und er ist ehrlich genug, um zuzugeben, „dass es sehr komisch für mich sein wird“. Auch wenn in Mahns auf zehn Positionen umgebautem Team nicht mehr viele Spieler sind, die er kennt, und auch wenn er nur noch mit Alster-Kapitän Alessio Ress regelmäßigen Kontakt unterhält – es wird ein Spiel wie kein anderes sein, das von Drachenfels erwartet.

Als er im späten Frühling seinem früheren Trainer beichtete, dass er den Schritt zum Stadtrivalen wagen würde, da war das für den bei Hannover 78 groß gewordenen Niedersachsen „der vielleicht emotionalste Moment meiner Karriere“. Mit Mahn, der ihn zu Beginn seiner Alster-Zeit sogar in seiner Wohnung beherbergt hatte, verband den 1,85 Meter großen Stürmer ein Vater-Sohn-Verhältnis. „Jo ist ein sehr spezieller Mensch, und ich hätte es fast nicht übers Herz gebracht, den Wechsel tatsächlich zu vollziehen“, sagt von Drachenfels, dessen Nachname von einem alten Bonner Adelsgeschlecht abstammt. Die Gründe allerdings, die dazu geführt hatten, den Absprung zu forcieren, überwogen letztlich die Emotionen. „Ich wollte noch mal international spielen und eine deutsche Endrunde, und diese Perspektive sah ich eher beim HTHC, schließlich werde ich nicht mehr ewig spielen, vielleicht noch drei Jahre. Ich habe die Entscheidung selbst getroffen, wollte die Veränderung, und wenn man diese Gedanken hat, dann ist es an der Zeit zu handeln“, sagt er.

Mahn hat die Entscheidung seines Schützlings großmütig akzeptiert, auch wenn sie eine große Enttäuschung dargestellt habe. „Ich war für Dan ein wichtiger Ansprechpartner. Aber Reisende soll man nicht aufhalten, und wir wünschen ihm alles Gute“, sagt der Alster-Coach. Außerdem habe er vor dem ersten Duell mit dem verlorenen Sohn auch nicht die Muße, Gedanken daran zu verschwenden, zu prekär ist die Situation seiner Mannschaft, die nach acht Spielen noch ohne Sieg mit zwei Punkten Tabellenletzter ist.

Viel zufriedener ist man beim HTHC, der als Titelverteidiger mit zehn Punkten aus sechs Spielen Siebter ist, mit dem Saisonstart auch nicht. „Wir brauchen die Punkte fast genauso dringend. Ich erwarte ein sehr enges Spiel, denn gerade weil sie mit dem Rücken zur Wand stehen, schätze ich Alster als sehr gefährlich ein“, sagt von Drachenfels. Natürlich weiß er, wie Mahn das Team einstellen wird. Dass sein ehemaliger Verein so schlecht gestartet ist, hat auch ihn überrascht. „Dass ein Umbruch Zeit braucht, ist klar, aber so weit unten hätte ich Alster nie erwartet. Für mich waren sie Top-Vier-Kandidat.“ Ein Nachtreten verbietet sich, schließlich hat sich der Hobby-DJ, der mit seiner Rap-Combo „Koma Kind“ 2002 zwei Studioalben aufgenommen hat, bei Alster immer sehr wohl gefühlt. Dennoch findet er klare Worte über die Krise, die er ein Stück weit für hausgemacht hält. „Man hätte den Umbruch zwei Jahre früher durchziehen müssen. Aber da hat man versucht, die Abgänge von Leistungsträgern mit Namenlosen aufzufangen. Nach den Hochkarätern, die man zu dieser Saison geholt hat, hätte man vor zwei Jahren schon die Fühler ausstrecken müssen.“

Warum der HTHC Alster den Rang abgelaufen hat, glaubt von Drachenfels mit der grundsätzlichen Ausrichtung der beiden Vereine erklären zu können. „Bei Alster wird einem alles abgenommen, weil Teambetreuer Herbie Willig seit Jahren einen unglaublichen Job macht“, sagt er. Auf Auswärtsfahrten gebe es bei Alster von Willig geschmierte Lachsbrötchen, beim HTHC müsse man immer fünf Euro Essensgeld dabeihaben. „Und meinen Trainingsanzug habe ich auch noch nicht bekommen“, lacht er, „aber vielleicht ist das das Geheimnis: dass man sich alles erarbeiten muss. Das hat die Mannschaft so stark gemacht.“ Dazu komme die familiäre Atmosphäre. „Der Vorstand und der gesamte Förderkreis sind beim HTHC viel näher am Team. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.“

Schon einmal, in den Jahren 2005 und 2006, hat Daniel von Drachenfels für den HTHC gespielt. Damals fühlte er sich nicht wohl, ging nach Hannover zurück. Jetzt, zum zweiten Anlauf, ist aus dem jungen und bisweilen chaotischen Wilden ein gereifter Führungsspieler geworden. Einer, der mit seiner Technik immer für Torgefahr sorgen kann und der diesen Schuss Egoismus in sein Spiel einbringt, den ein Vollblutstürmer braucht. Seine Rolle beim HTHC ist klar umrissen, er soll Tore schießen und Strafecken herausholen. Dass ihm bislang nur ein Saisontreffer gelang, wurmt ihn. Kopfsache sei das, weil ihm auch der nach neun Jahren vollzogene Schlägerwechsel mehr zu schaffen macht, als er geglaubt hatte. „Mein Paradeschlag, die argentinische Rückhand, geht jetzt öfter übers Tor. Das muss sich noch finden“, sagt er.

Daniel von Drachenfels hat einiges verändert in seinem Leben, nicht nur seinen Verein, auch seinen Job. Der gelernte Immobilienkaufmann leitet seit einem guten Monat den BHP-Hockeyshop an der Dorotheenstraße. Seine Kunden kommen zu fast gleichen Teilen von Alster und vom HTHC. Dass er beide Seiten gut kennt, empfindet er als großen Vorteil. Und vielleicht ist das auch eine Blaupause für das Spiel am Sonnabend, das ein so besonderes für ihn zu werden scheint.