Die Hamburg Towers gewinnen in Gießen das erste Punktspiel ihrer Geschichte mit nur einem Zähler Vorsprung. „Es war kein schönes Spiel“, sagte Trainer Hamed Attarbashi trotz des Erfolgs.

Gießen. Angefangen haben natürlich die anderen mit den Schmähungen, drüben, wo die lautesten Fans der 46ers stehen. Sie sangen: „Selbst in Hamburg kennt euch keine Sau!“ Die Antwort von der Gegenseite kam prompt: „In ganz Deutschland kennt euch keine Sau!“ So wogte es eine ganze Weile hin und her in der Sporthalle Gießen-Ost. Das Geschehen auf dem Parkett war eine Minute vor dem Ende zur Nebensache geworden, oder besser: Es schien so, denn die Hamburg Towers hatten mit einer Serie von sieben Punkten ihre Führung gegen die einheimischen 46ers auf 66:57 ausgebaut.

Aber dann passierte, was Towers-Trainer Hamed Attarbashi später nur mit „typisch Basketball“ zu erklären wusste. Ein unsportliches Foul und verworfene Freiwürfe auf der einen Seite, zwei schnelle Dreier auf der anderen, und fast hätten sich die Towers noch um ihre gelungene Premiere in der Zweiten Bundesliga Pro A gebracht. So aber ging das erste sportliche Kapitel in der Geschichte dieses neuen Profiteams gerade noch gut aus. Dass der Sieg mit 66:65 (18:13, 18:19, 13:8, 17:25) unnötig knapp ausfiel, ja dass das Angriffsspiel nicht einmal entscheidend mehr Qualität besaß als die unbeholfenen Pausendarbietungen der Gießener Maskottchen, spielte bereits am späten Sonnabendabend keine Rolle mehr. Schon gar nicht hielt es die 13 Hamburger Profis davon ab, ihre neun anwesenden Fans mit einem Freudentanz zu beglücken.

„Es war kein schönes Spiel“, sagte Attarbashi, dem feierlichen Anlass entsprechend im schwarzen Anzug gekleidet, „aber wir haben es nach Hause gebracht. Darüber sind wir sehr glücklich.“ So wie der Trainer trotz einer schweren Erkältung vollen Einsatz an der Seitenlinie gezeigt hatte, so hatten sich auch seine Spieler irgendwie durch die 40 Minuten gekämpft.

Und so war dies auch für Geschäftsführer Pascal Roller die wichtigste Erkenntnis des Abends: dass das Mannschaftsgefüge nach nur acht gemeinsamen Wochen gefestigt genug war, um dem Druck eines heimstarken Traditionsclubs standzuhalten, der fünfmal deutscher Meister war, 46 Jahre lang ununterbrochen erstklassig spielte und so schnell wie möglich zurück in die Bundesliga will. „Allerdings hing bei uns heute vieles an Will Barnes, Daniel Hain und Michael Wenzl“, sagte Roller: „Wir müssen da hinkommen, dass sechs oder sieben Spieler Führungsverantwortung übernehmen.“

Bazoumana Kone zum Beispiel: Der junge Shooting Guard konnte seine Stärken andeuten, verlor vor Aufregung aber sechsmal den Ball. Oder Robert Ferguson: Erst vergangene Woche verpflichtet, beförderte sich der US-Amerikaner durch Fouls früh selbst auf die Bank. Als er sich dann noch von der Freiwurflinie einen selten gesehenen Airball leistete – einen Fehlwurf ohne Ring- oder Brettberührung –, musste er sich als „MVP“ verhöhnen lassen.

Attarbashi aber macht sich über seinen neuen Power Forward keine Sorgen: „Robert ist gerade Vater geworden und mit seinen Gedanken vielleicht noch nicht hundertprozentig bei der Sache.“ Umso engagierter habe Ferguson die Kollegen von der Bank unterstützt: „Er hat Emotionen reingebracht, das hat uns heute ausgezeichnet.“

Überhaupt präge ein besonderer Zusammenhalt diese Mannschaft, so hört man aus vielen Gesprächen heraus. „Die Chemie zwischen uns stimmt einfach, das ist selten im Profisport“, sagt etwa Power Forward Andre Murillo. Er selbst bekam von Attarbashi in Gießen nur siebeneinhalb Minuten Spielzeit eingeräumt. Und doch war er hinterher glücklich, „weil Michael Wenzl, den ich im Training jeden Tag hart bearbeite, so ein Riesenspiel gemacht hat“. Der Hamburger Center sei es gewesen, der mit seinen 19 Punkten und vor allem seinen 13 Rebounds den Gießenern „in Brettnähe sehr wehgetan hat“, wie 46ers-Trainer Denis Wucherer einräumte.

Wenzls war die einzige herausragende Leistung des Abends. Ansonsten neutralisierten sich beide Teams mit offensiven Unzulänglichkeiten gegenseitig. Die 21 Gießener Ballverluste glichen die Towers durch eine Trefferquote von 36 Prozent aus dem Feld aus. „Dass man mit solchen Zahlen überhaupt eine Siegchance hat, ist schon verwunderlich“, sagte Wucherer. Er war nach diesem „offensiv teilweise abenteuerlichen Spiel froh, dass es vorbei ist“.

Wie muss es erst den Towers gehen? Sie können nun unbeschwert zu ihren nächsten Spielen nach Cuxhaven (Freitag), Kirchheim unter Teck (Sonntag) und Gotha (11. Oktober) reisen. Am 19. Oktober dann, bei der Heimpremiere gegen Leverkusen, gilt es den Beweis zu erbringen, dass Gießens Fans mit ihrem Schmähgesang unrecht hatten. Zumindest im Vergleich mit ihren Spielern sollten die Hamburger Anhänger dann in der Überzahl sein.

Punkte Hamburg: Wenzl 19, Barnes 18, Kone 9, Thomas 9, Kittmann 8, Murillo 2, Ferguson 1; beste Werfer Gießen: DiLeo 17, Bekteshi 13, Palm 12. Schiedsrichter: Marzi (Trier). Zuschauer: 2216.