Fallrückzieher und Freistoßspray: Mit Michael Ballack, Franz Beckenbauer und Uwe Seeler gab sich die Fußballprominenz beim „Tag der Legenden“ am Millerntor ein Stelldichein. 250.000 Euro wurden für benachteiligte Jugendliche eingespielt.

Hamburg. St. Pauli war am Sonntag Treffpunkt der deutschen Fußballprominenz. Begleitet von lauten Bässen und Kunstnebel sind rund 70 Stars von einst beim zehnten „Tag der Legenden“ in Hamburg auf den Rasen zurückgekehrt. Michael Ballack, Thomas Hitzlsperger und „Charly“ Körbel führten Team Deutschland vor 25.183 Zuschauern am Millerntor zu einem 5:3 (0:0)-Sieg gegen eine Auswahl ehemaliger Hamburger Profis.

Jupp Heynckes, der 2013 mit Bayern München das Tripel gewann, gab rund ein Jahr nach seinem Karriereende ein Comeback auf der Trainerbank des deutschen Teams. Als Schirmherr begleitete Franz Beckenbauer das Benefizspiel. Unter den Zuschauern waren der 1954er-Weltmeister Horst Eckel und HSV-Idol Uwe Seeler.

„Die Spieler sind fit, Michael Ballack hat kein Gramm Fett mehr als früher“, sagte TV-Moderator Reinhold Beckmann, der das Benefizspiel zum zehnten Mal organisierte. „Nur die Schiris sind runder geworden.“ Der ehemalige St.-Pauli-Manager Helmut Schulte scherzte: „Das Schöne ist, die alten Kameraden wiederzutreffen – und zu checken, wer wie viel zugenommen hat.“

Der sportliche Wert hielt sich trotz der großen Namen zunächst in Grenzen. „Dass es kribbelt, wäre übertrieben“, sagte Ballack schon vor dem Anpfiff. „Es ist vor allem schön, sich mal wieder etwas zu bewegen und die alten Gesichter wiederzusehen.“

Lange blieb die Partie umkämpft – zu routiniert waren die Spieler um Bundesliga-Rekordhalter Körbel. Schiedsrichter-Legende Walter Eschweiler gab sich nachsichtig: „Ich habe nur die kleinen Karten mitgebracht, die sind kaum erkennbar.“ Technisch war der 78-Jährige dennoch auf dem neuesten Stand: Noch bevor das Freistoßspray in der Bundesliga eingeführt wird, wurde es ihm auf einem Silbertablett aufs Feld getragen. Erst in der zweiten Halbzeit eröffnete Ballack den Torreigen. Die Hamburger kämpften sich zurück ins Spiel, bevor ihnen im Schlussspurt doch noch die Puste ausging.

Die Einnahmen des Benefiztages von mehr als 250.000 Euro gehen an den Verein Nestwerk, der sich für benachteiligte Jugendliche in Hamburg einsetzt. „Wir Sportler sollten uns bewusst sein, wie wichtig es ist, jungen Menschen ein Vorbild zu sein“, sagte Schirmherr Beckenbauer. Seit der ersten Auflage 2005 wurden mehr als 1,75 Millionen Euro eingespielt.

Der Liveticker zum Nachlesen

85. Minute: Überpünktlicher Abpfiff!

84. Minute: Jancker legt den Ball im Strafraum auf Friedrich zurück, Arne Friedrich trifft aus 13 Metern präzise ins Tor.

83. Minute: Team Hamburg drückt, bekommt den Ball aber nicht hinter die Linie.

80. Minute: Tor zum 3:4! Gaudino schießt nach einem Alleingang aus 17 Metern mit Hilfe des Innenpfostens zur Führung ein.

76. Minute: Doll köpft den Ball an den Pfosten, dann schießt Azzouzi den Ball in den Himmel.

74. Minute: Butt läuft mittlerweile auf dem Platz herum - als Feldspieler für das Team Hamburg.

70. Minute: Tor zum 3:3! Carsten Jancker nimmt eine Flanke von Ballack volley und drischt den Ball ins Netz.

66. Minute: Tor zum 3:2! Driller bedient Meggle mustergültig, der St.-Pauli-Trainer dreht den Ball ins kurze Eck.

59. Minute: Tor zum 2:2! Reinke kommt nach einem Pass in die Tiefe übermotiviert aus dem Kasten, doch Klasnic ist eher am Ball und umkurvt den Keeper, bevor er ins leere Tor einschiebt.

56. Minute: Tor zum 1:2! Driller dreht sich und überwindet Reinke mit einem strammen Flachschuss.

51. Minute: Klasnic taucht frei vor Reinke auf, der Keeper hält mit toller Reaktion.

50. Minute: Tor zum 0:2! Bobic flankt und Scherz drückt den Ball ins eigene Netz.

48. Minute: Tor zum 0:1! Ballack schießt aus 18 Metern ins lange Eck, Hain ist chancenlos.

46. Minute: Weiter geht´s!

45. Minute: Halbzeit!

45. Minute: Klasnic passt auf Präger, der ganz frei vor Reitmaier auftaucht, aber am Keeper scheitert.

43. Minute: Klasnic vergibt nach schöner Flanke von Boll freistehend per Kopf.

41. Minute: Auch Sarpei scheitert mit bei seinem Versuch, Golz zu überlupfen.

39. Minute: Dinzey mit einem satten Schuss aus spitzem Winkel, Reitmaier wehrt mit den Fäusten ab.

32. Minute: Raitmeier hält einen Schuss von Ebbers und wehrt auch den Nachschuss ab. Der Keeper verletzt sich leicht bei der Aktion.

26. Minute: Bobic nimmt eine Flanke direkt, der Ball landet aber neben dem Tor. Auf der anderen Seite verzieht Barbarez mit einem Schuss aus 16 Metern nur knapp.

24. Minute: Deutschland wird stärker: Hitzlsperger köpft frei vor dem Tor, doch Golz kann fangen.

22. Minute: Bobic scheitert ganz frei vor dem 46-jährigen Golz, der mit einer Faust ganz stark pariert.

21. Minute: Die erste Auswechslung: Riedle kann nicht mehr, dafür kommt Fredi Bobic. Auch Chapuisat kommt für Basler.

18. Minute: Mazingu-Dinzey zieht aus 15 Metern ab, knapp drüber. Die Chancen mehren sich.

16. Minute: Jetzt kommt Ballack von halblinks frei zum Schuss, doch Golz pariert prächtig.

11. Minute: Manni Kaltz hält trotz seiner 61 Jahre noch gut mit. Beide Teams halten sich mit Torchancen vornehm zurück. Schiri Walter Eschweilers sorgte mit seinem Freistoßspray bisher für die größte Unterhaltung.

5. Minute: Noch tasten sich beide Teams ab. Ebbers vergibt die erste große Chance für Team Hamburg. Der Ex-Paulianer spielt aktuell noch in der Oberliga für den SC Victoria.

1. Minute: Anpfiff!

Vor dem Spiel: Die Hamburger Elf ist mit vielen Stars des HSV und des FC St. Pauli bestückt: Thomas Doll, Sergej Barbarez, Manni Kaltz, Roy Präger, , Stefan Schnoor, Richard Golz, Bernd Hollerbach, Bastian Reinhardt, Jan Nico Hoogma,Thomas von Heesen, Otto Addo. Bernd Wehmeyer, Martin Driller, Thomas Meggle, Paule Beinlich, Michel Mazingu-Dinzey, Stefan Studer, Ivan Klasnic, Fabian Boll, Timo Schultz, Matthias Scherz, Andre Trulsen, Marius Ebbers, Andreas Reinke, Claus Reitmaier, Hans-Jörg Butt, um nur einige zu nennen.

Auch das Team Deutschland hat bekannte Namen zu bieten: Oliver Kreuzer, Marco Rehmer, Hans Sarpei, Michael Schulz, Markus Babbel, Patrick Owomoyela, Olaf Thon, Julio Cesar, Stephane Chapuisat, Lars Ricken, Fredi Bobic, Maurizio Gaudino, Frank Verlaat, Giovanne Elber, Carsten Jancker, Mario Basler, Tim Borowski, Jens Nowotny, Thomas Hitzlssperger, Michael Ballack, Charly Körbel, Arne Friedrich, Thomas Berthold, Karl-Heinz Riedle.

Tore: 0:1 Ballack (48.), 0:2 Scherz (50./ET), 1:2 Driller (56.), 2:2 Klasnic (59.), 3:2 Meggle (66.), 3:3 Jancker (70.), 3:4 Gaudino (80.), 3:5 Friedrich (84.)

Reinhold Beckmann erinnert sich an die Tage der Legenden

In der Ecke steht der Kaffeetisch, an dem Uwe Seeler mit seinem Freund, der Werder-Bremen-Legende Max Lorenz, wieder am Spielfeldrand Platz nehmen wird. Daneben wartet eine gigantische „10“ aus Styropor mit dem Logo vom Tag der Legenden auf den Abtransport zum Millerntor, ansonsten reiht sich Stahlkiste an Stahlkiste mit technischer Ausrüstung. Die Redaktionsräume der TV-Produktionsfirma von Reinhold Beckmann am Eppendorfer Straßenbahnring gleichen derzeit eher einer Requisitenhalle. Der Hausherr selbst ist etwas vergrippt, womöglich auch eine Folge des Stresses unmittelbar vor dem zehnten Tag der Legenden am Sonntag, dem Benefizspiel für den Verein NestWerk. Im Gespräch mit dem Abendblatt erzählt Beckmann seine größten Momente aus zehn Jahren Tag der Legenden.

Karten aus dem Bully

Die ersten Karten für den ersten Tag der Legenden haben wir aus einem beklebten alten VW-Bully verkauft. Wir sind mit dem Auto zu Sportplätzen und in Einkaufsstraßen gefahren, um für den Tag der Legenden zu trommeln. Damals war das ja eher Neuland, Spiele mit ehemaligen Stars für den guten Zweck in dieser Qualität gab es kaum. Als zum Auftakt 11.500 Fans kamen, waren wir mehr als zufrieden. Denn das bedeutete eine Einnahme von rund 120.000 Euro für NestWerk.

Würstchen von Hoeneß

Viel ist in den vergangenen Monaten über das Steuervergehen von Uli Hoeneß diskutiert und geschrieben worden. Unbestreitbar bleiben seine sozialen Verdienste, auch für den Tag der Legenden. Ohne Zögern sagte er sofort seine Teilnahme bei der Premiere 2005 zu. Zudem hat er unseren Tag mit einer Wagenladung Würstchen aus seinem Unternehmen gesponsert. Am Millerntor wurde er gefeiert. Schließlich hatte kein St.-Pauli-Fan seinen Einsatz für das Retterspiel mit dem FC Bayern für den damals fast insolventen Kiezclub vergessen.

Fischers Kunstschuss

Das Traumtor von Klaus Fischer zählt zu den ganz großen sportlichen Momenten unserer Veranstaltung. „Reinhold, mach dir keine Sorgen, ich kriege das hin“, sagte er mir vor dem Anpfiff. Wiederholen wollte er sein schönstes Tor der Karriere per Fallrückzieher im Länderspiel 1977 gegen die Schweiz. Er hatte nur zwei Bedingungen: Top-Flanke und kein Verteidiger in der Nähe. Die Flanke servierte Matthias Herget so präzise wie einst Rüdiger Abramczik. Der Ball flog in den linken Winkel, die Fans waren aus dem Häuschen.

Ein bisschen Frieden

Der gemeinsame Auftritt von Jürgen Klopp und Matthias Sammer beim Legenden-Spiel im vergangenen Jahr hatte schon in den Tagen zuvor für Schlagzeilen gesorgt. Denn die beiden hatten sich gerade öffentlich ganz schön gezofft. Doch am Millerntor waren Dortmunds Trainer und der Sportdirektor des FC Bayern ein Herz und eine Seele. Klopp fungierte auf dem Spielfeld sogar als verlängerter Arm von Trainer Sammer. Was zeigt, dass der Legenden-Tag auch ein Friedensstifter sein kann.

Mein Freund Schumacher

Fotos von Michael Schumacher machen mich traurig. Ich kenne ihn schon eine halbe Ewigkeit, ich bin früher als Student mit meiner Clique auf der elterlichen Kartbahn in Kerpen oft gefahren. Natürlich waren die Schumi-Brüder immer viel schneller als ich. In den vergangenen Jahren wurde unsere Freundschaft wieder intensiver, wir haben ein paar Mal bis in die tiefe Nacht zusammengesessen und über alte Zeiten gesprochen. 2013 war er dann unser Gast, großartig. Ich wünsche ihm nach seinem schweren Skiunfall bei seiner Reha alles Glück der Welt.

Ovationen für Keegan

Auf den Auftritt von Kevin Keegan hatten wir Jahre hingearbeitet, ich hatte selbst fast nicht mehr daran geglaubt. 2011 klappte es dann endlich, auch dank Bernd „Fummel“ Wehmeyer, der zu ihm einen engen Draht hat. Enthusiastisch wurde Kevin am Millerntor gefeiert. Er hat jeden Autogramm- und Interviewwunsch erfüllt, er ist einfach ein ganz feiner Kerl. Die Ovationen für Keegan zeigen die Sehnsucht der HSV-Fans nach den alten, großen Zeiten. Und es illustriert auch, was möglich wäre, sollte der HSV wieder an alte Erfolge anknüpfen können.

Legendärer Ex-Kanzler

Gerhard Schröder hatte mir schon länger versprochen, dass er die Schirmherrschaft übernimmt, wenn der Termin irgendwann passen sollte. 2009 war es dann so weit. Und ihm hat es so gut gefallen, dass er auch noch zur Nacht der Legenden im Tivoli geblieben ist. In einem Grußwort hat er damals geschrieben, warum er den Integrationsgedanken von NestWerk so gut findet: „In meiner Kindheit lebten wir in einer Behelfsbaracke am Rande des dörflichen Fußballplatzes. Immer wenn ich die Jungs aus dem Dorf auf dem Platz spielen hörte, war mir klar: Ich will auch dazugehören.“

Kaiser ohne Wetterglück

Franz Beckenbauer war schon einmal Schirmherr, 2006 beim zweiten Legenden-Tag. Es war die einzige Veranstaltung, wo wir richtig Pech mit dem Wetter hatten. Es schüttete wie aus Kübeln. Sonntag kommt Franz wieder als Schirmherr. Sollte es erneut regnen, war es für ihn das letzte Mal ... Aber eigentlich haben wir mit Petrus fast immer Glück. Ich erinnere mich an einen ebenfalls ganz düsteren Tag, wo der Himmel pünktlich zum Anpfiff aufriss. Und eine Stunde nach dem Abpfiff hat es wieder geregnet.

Charly, der Clown

Charly Dörfel zählt zu unseren ganz treuen Freunden. In den ersten Jahren rief er schon mal ein paar Tage vorher an: „Reinhold, ich habe mir wieder was ganz Besonderes überlegt.“ Unvergessen ist seine Jonglieraktion beim ersten Legenden-Tag. Über das ganze Spielfeld hat er einen Besenstiel auf seinem Kinn balanciert. Hinterher hat er behauptet, er halte in dieser Disziplin jetzt den Weltrekord. Charly ist ein echter Zirkusmensch, einer, den man mögen muss.

Trauer um Hermann

Dass Hermann Rieger nicht mehr unter uns ist, kann ich noch immer nicht fassen. Auch für den Tag der Legenden ist das ein ganz schwerer Verlust. Hermanns Auftritte waren immer ganz besondere Momente. Mal kam er in einer Seifenkiste mit Michael Schumacher auf den Rasen, mal auf einem fliegenden Teppich, mal mit Schlittenhunden. Wenn sich ein Spieler scheinbar vor Schmerzen krümmte, wussten alle Fans: Jetzt kommt Hermann. Der Burschi mit dem großen Herzen fehlt mir sehr.

Auf Uwe ist Verlass

Auf Uwe Seeler kann ich mich immer verlassen. Schon beim allerersten Tag der Legenden hat er mit mir Karten verkauft. Auch in diesem Jahr werden wir ihm selbstverständlich Kaffee und Kuchen am Spielfeldrand servieren, wo er wie immer mit seinem Freund Max Lorenz an einem kleinen Tisch sitzt. Was kaum jemand weiß: Uwe unterbricht für den Tag der Legenden jedes Jahr seinen Urlaub. Ich hatte deshalb schon Stress mit seiner Tochter Kerstin, die sagt: Das kannst du mit Vadder eigentlich nicht machen. Aber natürlich kommt Uwe auch am Sonntag wieder. Ehrensache für ihn.