Das Boxen hat immer dann ein Problem, wenn in engen Kämpfen – und ein solcher war der vom Sonnabend – die Prioritäten, nach denen die drei Punktrichter urteilen, nicht transparent und deckungsgleich sind. Ein Kommentar

Da war es wieder, das böse Wort Skandal, das in die Sportberichterstattung leider mittlerweile so tief eingesickert ist, dass kein Wochenende mehr vergeht, ohne dass es bemüht wird, geifernd und sensationslüstern. Ein Skandalurteil sei der 2:1-Punktsieg von IBF-Cruisergewichtsweltmeister Yoan Pablo Hernández gegen seinen Herausforderer Firat Arslan gewesen, hieß es in mehreren Medien. Box-Ikone Henry Maske sprach in seiner Funktion als Experte der ARD immerhin von einem Fehlurteil. Und lag damit ebenso falsch.

Das Boxen hat immer dann ein Problem, wenn in engen Kämpfen – und ein solcher war der vom Sonnabend – die Prioritäten, nach denen die drei Punktrichter urteilen, nicht transparent und deckungsgleich sind. Wenn also der Pole, der für Arslan wertete, die Aktivität für am wichtigsten befand, war sein Urteil nachzuvollziehen. Wer aber die Anzahl der Treffer und deren Genauigkeit höher stellte, der musste dem Franzosen und dem US-Amerikaner folgen, die Hernandez vorn sahen. So seltsam es bisweilen wirkt: Ein Kampf mit zwölf sehr knappen Runden kann im Urteil deutlicher ausgehen als eine einseitige Schlacht, in der der Unterlegene aber drei klare Runden für sich entscheidet.

Boxkämpfe zu punkten ist so kompliziert, wie es sich hier liest, das weiß jeder, der es mal versucht hat. Umso vorsichtiger sollte man sein, Urteile als Fehler oder gar Skandal abzuwerten. Eine geteilte Entscheidung, wie ein 2:1-Punkturteil genannt wird, ist letztlich der beste Beweis dafür, dass ein Kampf sehr eng war. Und deshalb war das Votum der Punktrichter in Erfurt nur eins: nachvollziehbar.