Dass die Hamburgerin bei der EM im 3000-Meter-Hindernislauf startet, schien lange ausgeschlossen

Hamburg/Zürich. Letzigrund, der Name ist Jana Sussmann kürzlich zum ersten Mal untergekommen, als sie die EM-Unterlagen erhielt. Dass das Züricher Stadion als Mekka der Leichtathletik gilt, dass dort alljährlich das berühmteste Meeting ausgetragen wird, fünf Weltrekorde aufgestellt wurden, drei allein in ihrer Disziplin, dem 3000-Meter-Hindernislauf: Von alldem hat Sussmann gar nichts gewusst.

Das zeugt einerseits davon, dass die Athletin vom Lauf-Team Haspa-Marathon Hamburg mit ihren 23 Jahren noch immer eine ziemlich junge ist, wenngleich sie schon eine bewegte Geschichte vorweisen kann, die vor allem eine Leidensgeschichte ist. Nach ihrem Erfolgsjahr 2011, in dem sie deutsche Meisterin wurde, Silber bei der U23-EM gewann und bei der WM starten durfte, lief bei Sussmann nicht mehr viel zusammen. 2012 fiel ihr Olympiatraum einer Hausstaubmilben-Allergie zum Opfer, seither ist die angeraute Stimme zu ihrem Markenzeichen geworden. 2013 dann wuchs sich ein gereizter Nerv im Sitzbein zu einem Knochenmarködem aus und warf sie monatelang aus der Bahn.

Mit anderen Worten: Der Letzigrund war für Jana Sussmann vor Kurzem noch weit, weit weg. Bis sie Mitte Juli bei in 9:43,52 Minuten plötzlich bis auf 24 Hundertstelsekunden an ihre drei Jahre alte Bestzeit heranlief. „Eigentlich hatte ich damit schon mehr erreicht, als ich wollte“, sagt Sussmann. Der deutsche Verband hat die Studentin daraufhin für Zürich nominiert, auch wenn sie die Norm um eineinhalb Sekunden schuldig blieb.

Seither wird Sussmann ihr Lächeln kaum noch los – von dem Fahrradsturz neulich einmal abgesehen, bei dem sie eine Schramme auf der Wange davontrug. Und so darf sie also an diesem Freitag um 11.20 Uhr im Vorlauf antreten. „Die richtige Entscheidung“, sagt ihre Trainerin Beate Conrad, „mit 9:43 schafft sie es in den Endlauf am Sonntag.“ Dafür müsste Jana Sussmann sieben von insgesamt 21 Konkurrentinnen hinter sich lassen.

Unter Druck setzen aber will sie sich auf keinen Fall: „Ich habe doch nichts zu verlieren, nur zu gewinnen.“ Sie habe gelernt, sich über die ganz kleinen Dinge zu freuen: zum Beispiel darüber, dass nichts wehtut, wenn sie losläuft. Und sie habe gelernt, auf die Warnsignale zu hören, die ihr Körper aussendet. Das habe sie von Beate Conrad vermittelt bekommen.

Davon aber, ins Höhentrainingslager zu gehen, konnte die Hamburger Landestrainerin sie nicht überzeugen. Zum einen hätte es Sussmann selbst finanzieren müssen, nachdem sie mangels Ergebnissen aus der Förderung gerutscht war. Selbst ihr Ausrüstervertrag ist ausgelaufen, „zum Glück hatte ich genug Schuhe zurückgelegt“.

Zum anderen habe sie 2013 keine guten Erfahrungen in der Höhe gemacht: „Ich hatte danach nicht mehr das Gefühl, dass die Beine fliegen.“ Stattdessen drehte sie mit ihren Trainingspartnern Andrea Dieters und Jonas Hamm in Hamburg ihre Runden. Nächste Saison stößt die Lettin Agata Strausa aus Fürth zu der Gruppe.

Die leidgeprüfte Jana Sussmann kann wieder für ihre sportliche Zukunft planen. Das ist bereits ihr größter Erfolg.