Am Sonnabend will der Hamburger Profiboxer Europameister werden. Dafür hat er einiges verändert

Hamburg. Die Chance, die Weichen auf seinem Karriereweg in Richtung Weltspitze zu stellen, hat Jack Culcay an diesem Sonnabend (22.35 Uhr/ARD live) in Erfurt. Gelingt dem Hamburger Halbmittelgewichtler ein Sieg gegen den spanischen Europameister Isaac Real, dann ist die Chance groß, im kommenden Jahr auch bei den Profis das zu werden, was er 2009 bei den Amateuren schon war: Weltmeister! „Natürlich ist das mein Ziel. Aber ich darf vor dem ersten Schritt nicht an den nächsten denken“, sagt er.

Vielleicht ist es die wichtigste Lehre aus den vergangenen Monaten, dass nicht alles so schnell und reibungslos klappt im Leistungssport, wie sich das manche erhoffen. Culcay, nach dem Gewinn des Amateur-WM-Titels als „Golden Jack“ mit viel Vorschusslorbeeren beim Hamburger Universum-Stall in seine Profilaufbahn gestartet, hat eine harte Phase der Stagnation hinter sich. Sechs Trainer hat er, aus unterschiedlichsten Gründen, in nicht einmal fünf Profijahren verschlissen. Die Universum-Insolvenz zwang ihn zudem zum Promoterwechsel, seit 2012 steigt er für das Berliner Sauerland-Team in den Ring. Was eine solche Phase der Inkonstanz, gepaart mit Unregelmäßigkeiten im familiären Bereich, bewirken kann, zeigte sich im April in seinem bislang letzten Kampf. Den limitierten Franzosen Salim Larbi bezwang der gebürtige Ecuadorianer zwar nach Punkten, doch nahm er so viele Treffer, dass sich sein Manager Moritz Klatten – die einzige Konstante auf Culcays Karriereweg – verwundert fragte, ob sein Paradesportler einen Doppelgänger geschickt hatte.

Klatten hat reagiert auf die Stagnation. Er hat dem 28-Jährigen eine lange Pause verordnet, aus der er mental und physisch gestärkt zurückkehrte. Vor allem aber hat Culcay seine Komfortzone verlassen. Für die Kampfvorbereitung lebte er vier Wochen in Kopenhagen, wo sein neuer Trainer Joey Gamache sein Gym hat. Der 48-Jährige ist Nummer sieben auf Culcays Trainerliste, und die Hoffnung, in ihm eine Dauerlösung gefunden zu haben, ist groß. Der US-Amerikaner scheint in jedem Fall einen Ansatz erarbeitet zu haben, der Culcay überzeugt. War der Boxer in vergangenen Arbeitsverhältnissen eher genervt davon, dass jeder neue Coach versuchte, ihm Veränderungen in seinem Stil als notwendig zu verkaufen, so gefällt ihm Gamaches Credo, vorhandene Stärken zu stärken, weitaus besser. Bei Gamache hört sich das so an: „Ich muss ihm nicht erklären, wie man kämpft. Ich muss ihn darin bestärken, wieder der Jack Culcay zu sein, der er sein will.“

Zurück zu den Wurzeln, so könnte man Gamaches Konzept beschreiben. Um Treffer zu vermeiden, soll sich der Modellathlet wieder mehr bewegen, an der Schnelligkeit von Beinen und Kopf haben sie viel gewerkelt. Dieser Stil, hängende Deckung und schnelles Pendeln, hatte Culcay bei den Amateuren von allen anderen deutschen Boxern abgehoben. „In meinen letzten Kämpfen habe ich zu viel nachgedacht, ob ich auch das umsetze, was die Trainer wollten. Dadurch war ich blockiert. Jetzt hoffe ich, dass ich meinen Instinkt wieder mehr zur Geltung bringen kann“, sagt er. Am Sonnabend werden alle genau hinschauen, ob das gelingt.