Vier einheimische Ruderjunioren gewinnen in Allermöhe Gold. Am Ende blieben sieben der 13 vergebenen Titel in Deutschland. Und die Stadt empfiehlt sich als Ausrichter der A-Weltmeisterschaft 2019.

Hamburg. Wann kommen sie denn? Ja, wann kommen sie denn? Das begann sich Tim Ole Naske nach 1000 Metern zu fragen. Sein Vorsprung war bereits auf zehn Sekunden angewachsen, auch im langatmigen Rudern ist das eine Ewigkeit. Aber die anderen kamen nicht. Stattdessen zog Naske auf der zweiten Streckenhälfte immer weiter davon über die vom Wind aufgewühlte Dove Elbe, oder, wie er später sagen würde, er „schob gnadenlos weg“. Und als er nach 8:17,69 Minuten die Lichtschranke im Ziel auslöste, mehr als 20 Sekunden vor der Konkurrenz, begann die Fachwelt zu forschen, ob sie wohl jemals einen überlegeneren Juniorenweltmeister im Einer erlebt hatte als diesen 18-Jährigen von der Ruder-Gesellschaft Hansa Hamburg.

Naskes Sieg war der emotionale Höhepunkt der Junioren-WM 2014 in Allermöhe, der abschließenden Triumph des vom Hamburger Landestrainer Bernd Nennhaus betreuten Achters mit Alexander Vollmer vom Alster-RV Hanseat konnte diesen Moment allenfalls an Spannung übertreffen. Naske hatte erwartet, dass es auch in seinem Rennen „ganz knapp wird“. Aber dafür war die Lust, auf seiner Trainingsstrecke, vor seinem Publikum zu gewinnen, wohl einfach zu groß. „Er hat unheimlich gebrannt“, erzählte sein Trainer Stephan Froelke, „und er hat es verstanden, diese Energie positiv umzusetzen.“

Sie hatte ihn durch die ganze WM getragen. Schon in Vorlauf, Viertel- und Halbfinale hatte sich Naske nicht darauf beschränkt, das Nötigste zu tun, sondern sein „außergewöhnliches technisches Können“ (1968er-Olympiasieger Horst Meyer) demonstriert. Wer hingegen taktiert hatte, der wurde am Finalsonntag vom Wetter bitter bestraft. Denn bei strammem Südostwind waren die beiden Außenbahnen klar im Vorteil. Und dorthin wurden von der Fairnesskommission die Boote mit den besten Vorleistungen eingeteilt. Die Potsdamerin Melanie Göldner blieb bei ihrem Einersieg die Einzige, die ihren Nachteil kompensieren konnte.

Am Ende blieben sieben der 13 vergebenen Titel in Deutschland. Und von den sechs gestarteten Teilnehmern aus Hamburg bringen vier eine Goldmedaille mit. Neben Naske und Vollmer triumphierten Charlotte Zeiz vom Hamburger Ruderinnen-Club im Achter und Henrik Runge von der RG Hansa im Doppelvierer. Einzig Matti Saborowsky (Der Hamburger und Germania RC) und Max Reichel (RC Allemannia) blieben undekoriert, sie bestätigten als Fünfte im nichtolympischen Vierer mit Steuermann den schwachen Eindruck aus Vor- und Hoffnungslauf.

„Hamburg hat hier eine Visitenkarte abgegeben“

„Das ist ein ganz tolles Ergebnis“, sagte Nennhaus, „man merkt, dass die Vereine voll hinter dieser Veranstaltung stehen.“ Dass am Finalsonntag fast 5000 Zuschauer in Allermöhe gezählt wurden, an den fünf Tagen zusammen mehr als 10.000, war auch diesem Rückhalt der Hamburger Ruderszene zu verdanken. Entsprechend zufrieden zeigte sich Organisationsleiter Jürgen Warner. Der Weltverband Fisa habe eine „exzellente Veranstaltung“ bescheinigt. Ähnlich drückte sich Siegfried Kaidel, der Präsident des Deutschen Ruderverbandes (DRV), aus: „Die Organisation war hervorragend, wir haben hohe Anerkennung erfahren. Hamburg hat hier eine Visitenkarte abgegeben.“

Die dürfte schon bald wieder herausgeholt werden. Bürgermeister Olaf Scholz bekräftigte bei seinem Besuch an der Regattastrecke am Sonntag die Bereitschaft der Stadt, eine A-Weltmeisterschaft auszurichten: „Ein solches Ereignis passt hierhin.“ Der nächste mögliche Termin wäre 2019, ein attraktives, weil vorolympisches Jahr, in dem die Nationen bei der WM ihre Startplätze für Tokio 2020 errudern müssen.

Eine A-WM kostet knapp fünf Millionen Euro

Bis Ende des Monats muss der DRV sein grundsätzliches Interesse an der Ausrichtung anmelden. Im März ist dann eine vorläufige Bewerbung bei der Fisa einzureichen. Die Entscheidung erfolgt dann im September 2015 beim Fisa-Kongress anlässlich der WM auf dem Lac d’Aiguebelette in Frankreich.

Man darf wohl davon ausgehen, dass Deutschland mit Hamburg ins Rennen geht. Aus den anderen nationalen Regattarevieren werden keine weiteren Bewerbungen erwartet. Die hohen Kosten dürften viele zurückschrecken lassen. Eine A-WM schlägt mit knapp fünf Millionen Euro zu Buche, das Vier- bis Fünffache einer Junioren-WM. Es gilt allein doppelt so viele Athleten (1200) zu versorgen, und das nicht nur fünf, sondern sieben Tage lang. Statt für 1500 Zuschauer bräuchte es Tribünen für mindestens 7500. Hinzu kommt der technische Aufwand, der diesmal noch in Grenzen gehalten wurde. So waren die Videoleinwände erst am Freitag aufgestellt worden.

„Wir wollen ihn nicht verheizen“

„2019 ist ein langer Weg, den wir als Landesverband aber gern gehen würden“, sagte Warner. Das gilt sicher auch für Tim Ole Naske. Mit 23 Jahren wäre er dann gerade im besten Ruderalter. Viele trauen ihm eine Karriere auch im Erwachsenenbereich zu. „Aber wir wollen das behutsam aufbauen und ihn nicht verheizen“, sagte Froelke, „schließlich wollen wir noch lange etwas von ihm haben.“

Am Dienstag reisen die beiden nach Nanjing zu den Olympischen Jugendspielen (s. unten). „Sie sind das i-Tüpfelchen“, sagt Naske. Allerdings sei die Ruderregatta für ihn nur ein Programmpunkt: „Mich interessiert die chinesische Kultur, davon will ich so viel wie möglich mitbekommen.“