Rücktritt vom Rücktritt: Für das große Ziel Olympia 2016 will die Hockey-Nationaltorhüterin im Ärzte-Beruf kürzer treten

Hamburg. Das Gefühl, die Grenzen des eigenen Leistungsvermögens nicht ausgetestet zu haben, ist seit vielen Monaten ihr ständiger Begleiter. Nach den Olympischen Spielen 2012 sorgte es dafür, dass Kristina Reynolds ihre Karriere als Hockey-Nationaltorhüterin beendete, frustriert darüber, dass man sie im Auswahltraining nicht ausreichend zu fordern wusste.

Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, ihren Sport komplett aufzugeben. Gut eineinhalb Jahre später ist vom Frust nicht mehr viel übrig, und verantwortlich dafür ist wieder dieses Gefühl, sich in zehn oder 15 Jahren vielleicht vorwerfen zu müssen, nicht alles für das Erreichen des maximalen Erfolgs abgerufen zu haben. „Mein großes Ziel sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro“, sagt die 30-Jährige.

Mit Bundestrainer Jamilon Mülders ist besprochen, dass sie schon Ende August beim Lehrgang in Mannheim ihr Comeback im Kreis der deutschen Auswahl gibt. Mülders will auf der Torhüterposition nach dem achten Platz bei der Weltmeisterschaft in den Niederlanden im Juni einige Änderungen vornehmen. Barbara Vogel (Berlin) und die Münchnerin Kim Platten werden nicht mehr im Kader stehen, dafür kehrt neben Reynolds auch Yvonne Frank vom Uhlenhorster HC nach langwieriger Hüftblessur zurück.

Um das Ticket nach Brasilien zu lösen, wird Reynolds im Beruf kürzer treten. Derzeit lässt sie sich am Uniklinikum Eppendorf zur Fachärztin der Gastroenterologie ausbilden, von Januar 2015 an wird sie mit Unterstützung ihres Chefs eine halbe Stelle antreten, ohne Nacht- und Wochenenddienste. Damit gewinnt sie die notwendige Zeit für das Auswahltraining. Vor allem aber will die gebürtige Hamburgerin wieder am geregelten Ligenbetrieb teilnehmen, nachdem sie in der vergangenen Saison nur noch als Notnagel bei Bundesligaabsteiger Klipper THC ausgeholfen hatte.

Ihre Entscheidung, Angebote der Bundesligisten Club an der Alster und Harvestehuder THC abzulehnen und sich stattdessen dem Regionalligateam des Hamburger Polo Clubs anzuschließen, sorgte für Verwunderung. Doch wer ihre Erklärung kennt, kann sie verstehen. Polo habe ihr ein Gesamtpaket geboten, das ihre Bedürfnisse komplett bediene. Zweimal pro Woche gibt es Torwarttraining, mit Rainer Sonnenburg ist ein Athletikcoach im Stab, den Reynolds sehr schätzt. Zudem hat man ihr zugesagt, mit dem Herren-Oberligateam trainieren zu dürfen. „Davon erhoffe ich mir große Fortschritte, weil ich denke, dass mich das ganz anders fordert“, sagt Reynolds, die nicht verhehlt, dass auch die finanzielle Unterstützung durch den Verein zur Entscheidungsfindung beitrug. „Ich finde das Projekt Polo einfach spannend und möchte helfen, es mit meiner Erfahrung zu sportlichen Erfolgen zu führen“, sagt sie optimistisch.

„Uns war klar, dass wir Krissie mehr bieten mussten als ein Bundesligaclub. Wir sind sicher, dass sie menschlich super ins Team passt und dieses mit ihrer Einstellung bereichern wird. Und wir hoffen, dass ihre Entscheidung eine Wirkung auf andere Spielerinnen hat, die sehen, dass sich hier etwas entwickelt“, sagt Polo-Damencoach Manuel Altenburg, der kurzfristig den Zweitligaaufstieg anpeilt.

Bundestrainer Mülders hat auch nichts dagegen einzuwenden, dass sich seine Hoffnungsträgerin auf Drittliganiveau für Olympia fit macht. „Wichtig ist nur, dass sie bei den Lehrgängen mit dem Nationalteam ihre Leistung abruft. Sie weiß, was sie tun muss, um in Form zu kommen. Jetzt liegt es an ihr, den Schritt zurück zu schaffen“, sagt er.

Reynolds weiß das, und sie ist sich sicher, dass sie die Anforderung von Mülders erfüllen kann. „Das Wichtigste ist, dass ich wieder Spaß am Hockey habe“, sagt sie, „alles andere kommt dann von allein.“