Die deutschen Top-Sprinter sind auf der 19. Etappe der Tour de France vor allem aufgrund eines großen Sturzes kurz vor dem Ziel leer ausgegangen. Besonders John Degenkolb hatte daran zu knabbern.

Bergerac. John Degenkolb verschwand mit finsterer Miene im Mannschaftsbus und blies Trübsal. Auch die letzte große Chance auf einen Etappensieg bei der 101. Tour de France war dem Klassikerspezialisten am Freitag auf unglückliche Weise entronnen, die Pechsträhne des 25-Jährigen riss auch im Finale der 19. Etappe nicht ab. Der Traum vom Tour-Tageserfolg wird sich für Degenkolb aller Voraussicht nach auch bei seiner seiner zweiten Frankreich-Rundfahrt nicht erfüllen.

„Die Enttäuschung ist riesig, ich kann es gar nicht in Worte fassen oder auf einer Skala von eins bis zehn einordnen“, sagte Degenkolb später mit noch immer versteinertem Gesichtsausdruck. Im völlig verregneten Abschnitt nach Bergerac scheiterte die Jagd auf den entflohenen Litauer Ramunas Navardauskas (Garmin) vor allem an einem Massensturz rund drei Kilometer vor dem Ziel, an eine koordinierte Verfolgung war danach nicht mehr zu denken. „Unsere Mannschaft wurde durch den Sturz komplett ausgebremst. Ich war danach alleine“, sagte Degenkolb.

Mit sieben Sekunden Rückstand sprintete Degenkolb nur noch um die Ehre - am Ende wurde er wie schon auf der elften Etappe Zweiter. „Ich war zweimal in der Lage, alle zu schlagen und zweimal ist vorne einer weg. Wir wollten es heute unbedingt wissen“, sagte er frustriert.

Degenkolb hatte nach einer unglücklich verlaufenen Tour alles auf die Etappe am Freitag gesetzt, hier wollte er sich für die Qualen und Enttäuschungen der vergangenen drei Wochen entschädigen. Auf dem Kopfsteinpflaster des fünften Teilstücks hatte sich der Thüringer eine Verletzung am Gesäßmuskel zugezogen und nur mit Mühe das Rennen fortsetzen können. Als in der Vorwoche seine große Stunde schlagen sollte, war in Oyonnax erst der Franzose Tony Gallopin der Spielverderber und in Saint-Étienne wurde Degenkolb auf den letzten Metern durch eine unfaire Aktion des Italieners Matteo Trentin aufgehalten.

Auf der prestigereichen Schlussetappe auf den Champs Élysées in Paris wird Degenkolb im Team Giant-Shimano wieder für seinen Kumpel und Mannschaftskollegen Marcel Kittel arbeiten. „Wir sollten uns auf Marcel konzentrieren und ihm die Chance geben, seinen Sieg zu wiederholen“, sagte Degenkolb. Der dreimalige Etappensieger Kittel hatte am Freitag an der Côte de Monbazillac rund 15 km vor dem Ziel nicht mehr folgen können und war genauso enttäuscht. „Ich wollte John unterstützen. Es war der Plan, für ihn zu fahren“, sagte er leise.

Auch André Greipel hatte Pech. Der 32-Jährige, der immerhin schon über einen Etappensieg jubeln durfte, wurde vom Chaos rund drei Kilometer vor dem Ziel erfasst. „Durch den Sturz war alles durcheinander. Ich weiß nicht genau, was passiert ist“, sagte Greipel: „Ich habe nur versucht, mich auf dem Rad zu halten.“ Dies gelang dem gebürtigen Rostocker zwar, die Chance auf den Sieg war aber dahin. Der Lotto-Profi ärgerte sich: „Ich war da im Finale, ich habe mir etwas zugetraut.“

Vincenzo Nibali meisterte die Etappe souverän und geht mit dem komfortablen Vorsprung von 7:10 Minuten auf den Franzosen Thibaut Pinaut in das Schlusswochenende.

Dieses wird am Samstag mit dem einzigen Zeitfahren der 101. Ausgabe eingeläutet. Die Strecke führt über 54 km von Bergerac nach Périgueux. Das wellige Profil ist dabei durchaus anspruchsvoll - und ganz nach dem Geschmack von Weltmeister Tony Martin. Nach starken Leistungen und einem Etappensieg ist der 29-Jährige in seiner Paradedisziplin der Top-Favorit. Bei einem Erfolg wäre der deutsche Rekord von sechs Etappensiegen aus den Jahren 1977 und 2013 eingestellt.