Der Zeitfahr-Weltmeister aus Cottbus siegte auf dem neunten Teilstück in den Vogesen unweit der deutsche Grenze, nachdem er 150 km an der Spitze des Feldes gefahren war - die letzten 60 davon ohne Begleiter.

Mülhausen. Nach einem sagenhaften Soloritt hat Tony Martin auf der bislang schwersten Etappe der 101. Tour de France triumphiert und die deutsche Erfolgsgeschichte bei Frankreich-Rundfahrt fortgeschrieben. Der Zeitfahr-Weltmeister aus Cottbus siegte auf dem neunten Teilstück in den Vogesen unweit der deutsche Grenze, nachdem er 150 km an der Spitze des Feldes gefahren war - die letzten 60 davon ohne Begleiter.

Nach drei Siegen von Sprinterkönig Marcel Kittel und einem durch Andre Greipel war es bereits der fünfte Tageserfolg für einen deutschen Profi. Der 29 Jahre alte QuickStep-Star Martin, der zudem das Bergtrikot übernahm, lag im Ziel in Mülhausen nach 4:09:34 Stunden 2:45 Minuten vor dem Schweizer Fabian Cancellara (Trek). Cancellara gewann den Spurt einer 20-köpfigen Verfolgergruppe, aus der Tony Gallopin (Frankreich/Lotto) mit Platz 16 das Gelbe Trikot des Gesamtführenden eroberte.

Für Martin war es der insgesamt dritte Sieg bei einer Tour. Die ersten beiden hatte er 2011 und 2013 jeweils im Zeitfahren geholt - und Sieg Nummer drei war gewissermaßen auch eines.

Bereits bei Kilometer 20 hatte sich Martin mit dem Italiener Alessandro de Marchi (Cannondale) vom Feld gelöst, ehe er seinen Fluchtgefährten auf der fünften von sechs Bergwertung mit einem fulminanten Antritt förmlich stehen ließ. Und anders als bei der Vuelta 2013, als Martin nach fast 175 km als Solist 300 m vor dem Ziel gestellt worden war, wurden nun alle Mühe belohnt.

„Tony hat heute sehr gute Beine, das könnte sich ausgehen“, sagte QuickStep-Sportdirektor Wilfried Peeters, als sich Martin von de Marchi abgesetzt hatte. Auf dem Weg zum 1183 m hohen Markstein, dem ersten Pass der ersten Kategorie in diesem Jahr, fuhr Martin bei strömendem Regen schnell knapp zwei Minuten Vorsprung heraus, überquerte die letzte Bergwertung auf dem Großen Belchen (1336 m) 2:36 Minuten vor dem dort zweitplatzierten Spanier Joaquim Rodriguez (Katjuscha) und raste wie im Kampf gegen die Uhr die letzten 43 km nach Mülhausen.

Der seit der zweiten Etappe in der Gesamtwertung führende Italiener Vincenzo Nibali (Italien/Astana) kam 7:46 Minuten nach Martin mit den weiteren Favoriten ins Ziel und liegt nun 1:34 Minuten hinter Gallopin. Allerdings hatten Nibali und sein Team auch nicht krampfhaft versucht, das Gelbe Trikot zu verteidigen - spätestens auf der ersten Alpen-Etappe am Freitag dürfte sich Nibali das Leader-Shirt zurückholen.

Nibali und sein Team hatten bereits am Samstag hart arbeiten müssen, als bei strömendem Regen und dichtem Nebel im Franzosen Blel Kadri (Ag2R) ebenfalls ein Ausreißer die erste kleine Bergankunft auf der Côte de La Mauselaine gewann. Nibalis Widersacher Alberto Contador (Spanien/Tinkoff) hatte mit seinem Team großen Aufwand betrieben und im Schlussanstieg Nibali attackiert, im Ziel lag der Spanier aber letztlich als Zweiter nur drei Sekunden vor dem Mann in Gelb.

„Es war sehr schwer, sieht sehr stark aus“, sagte Nibali. Sieger Kadri rettete nach 161 km 2:17 Minuten Vorsprung ins Ziel, sorgte für den ersten französischen Etappensieg der 101. Tour und durfte sich im Ziel über eine Glückwunsch-SMS von Staatschef Francois Hollande freuen.

Vor dem ersten Ruhetag steht am Montag noch einmal ein richtiger Kraftakt auf dem Tour-Plan. Die dritte und letzten Vogesen-Etappe endet mit der zweiten Bergankunft der 101. Frankreich-Rundfahrt - und diese hat ein ganz anderes Kaliber als der kurze Schlussanstieg am Samstag. La Planche des Belles Filles, die „Planke der schönen Mädchen“, ist eine giftige Rampe mit bis zu 20 Prozent Steigung.