Der Australier Pat Cash, am Sonntag im Legendenmatch am Rothenbaum Gegner von Michael Stich, über eindimensionales Tennis und sein Stirntuch

Hamburg. Um den Titel am Rothenbaum hat Pat Cash in seiner aktiven Laufbahn nie gekämpft. Dass der Wimbledonsieger von 1987 die Anlage dennoch bestens kennt, hat mehrere Gründe. Zum einen spielte der Australier 1992 für die Bundesligamannschaft des Clubs an der Alster, zum anderen war er in seiner Eigenschaft als Tennisexperte für verschiedene TV-Sender und Zeitungen in den vergangenen Jahren mehrfach beruflich in der Stadt. „Hamburg hat mir immer sehr gut gefallen, ich erinnere mich gern an die Zeit zurück“, sagt der 49-Jährige, der am Sonntag (18 Uhr) im Legendenmatch gegen Turnierdirektor Michael Stich erstmals auf dem überdachten Centre-Court aufschlägt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Cash, wie fühlt man sich eigentlich als Legende?

Pat Cash:

Oh, ich konnte mit solchen Kategorien nie wirklich etwas anfangen. Natürlich fühle ich mich sehr geehrt, wenn ich spüre, dass sich viele Menschen noch an mich erinnern. In meiner Generation waren so viele tolle Spieler unterwegs, dass es mir bis heute manchmal komisch vorkommt, dass ich mich zu ihnen zählen darf.

Immerhin haben Sie Wimbledon gewonnen, das bedeutendste Turnier der Welt. Was macht das mit einem Tennisprofi?

Cash:

Wimbledon war mein größter Triumph, ich war gerade 22 Jahre alt und dachte, dass mir die Welt offen steht. Ich war damals ja eine Art Paradiesvogel. Ich hatte Ohrringe, trug mein Bandana (Stirntuch, das am Hinterkopf zusammengebunden wird, d. Red.). Ich hatte den Ruf, ein Frauenheld zu sein. Die Mädels fanden mich irgendwie cool. Aber Sie dürfen nicht vergessen, ich war schon mit 21 Vater geworden, hatte eine ganz andere Verantwortung. Und das fanden die meisten Mädels dann doch nicht so cool. Ich habe in der Zeit sehr gut gelernt, Erfolge nicht überzubewerten und immer auf dem Boden zu bleiben. Seitdem nehme ich es auch nicht allzu ernst, wenn mich Menschen als Star ansehen. Aber auch, weil ich weiß, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen und andere Menschen anzuhimmeln, so wie ich es selbst getan habe, wenn ich auf Konzerte ging.

Sie gelten als großer Rock- und Heavy-Metal-Fan. Was fasziniert Sie daran?

Cash:

Ich liebe alles, was mit Gitarren zu tun hat. Ich bin in Australien mit Klassikern wie AC/DC oder Rose Tattoo aufgewachsen. Irgendwann habe ich selbst angefangen, Gitarre zu spielen, habe das Instrument überall mit hingenommen und habe mit meinen Kollegen gespielt. John McEnroe war ein richtig guter Gitarrist, Vitas Gerulaitis auch. Wir haben uns abends auf unseren Hotelzimmern getroffen und Musik gemacht. Und dazu habe ich das Glück gehabt, meine Lieblingsmusiker persönlich kennen zu lernen. Tony Iommi von Black Sabbath hat mir sogar mal eine Gitarre mit Signatur geschenkt. Früher bin ich auf Konzerte gegangen und habe die Musiker angehimmelt, so wie es einige Tennisfans auch mit mir getan haben. Doch als ich meine Helden kennen lernte, spürte ich, dass es ganz normale Menschen sind, und genau das will ich auch sein, und ich möchte, dass die Fans mich auch genauso behandeln. Deshalb halte ich auch nicht viel von Starkult.

Spielen Sie heutzutage mehr Gitarre oder mehr Tennis?

Cash:

Leider spiele ich kaum noch Gitarre, mir fehlt die Zeit. Tennis spiele ich dreimal die Woche, Sport treibe ich jeden Tag, das brauche ich, um mich gut zu fühlen. Ich gehe ins Gym, jogge oder mache Yoga. Aber ich gebe zu, dass Musik meine erste Leidenschaft ist. Ich höre Musik, wann immer es geht.

Was hätten Sie getan, wenn Sie nicht Tennisprofi geworden wären?

Cash:

Ich weiß es nicht, aber ich bin mir sicher, dass ich einiges gefunden hätte, was mich interessiert. Ich brauchte immer Abwechslung, und nach 20 Jahren auf der Tennistour war ich richtig froh, mich mit anderen Dingen beschäftigen zu können. Ich hatte ja auch während meiner Karriere viel Zeit, über andere Dinge nachzudenken, weil ich so oft verletzt war.

Haben die vielen Verletzungen Sie eine noch größere Karriere gekostet?

Pat Cash:

Ich denke schon. Ich bin dankbar für das, was ich erreicht habe. Aber es gibt viele Experten, die mir noch mehr zugetraut hätten. Mein Körper war dafür aber wohl nicht bereit. Und letztlich ist das auch alles Makulatur.

Wie gut sind Sie im Tennis noch vernetzt?

Cash:

Derzeit ist meine kleine Tennisschule auf St. Vincent in der Karibik die einzige aktive Verbindung in den Sport, abgesehen von den Charity-Matches oder den Legendenspielen, die ich machen darf. Aber ich beobachte die Szene natürlich in meinem Job als Experte für verschiedene TV-Sender.

Wenn Sie die heutige Generation mit der Ihren vergleichen: Sind Sie manchmal traurig, dass Sie damals gespielt haben und nicht heute spielen?

Cash:

Ja und nein. Natürlich juckt es manchmal, sich mit Spielern wie Roger Federer oder Novak Djokovic messen zu können. Aber eigentlich bin ich froh, dass ich zu meiner Zeit spielen durfte. Damals konnte jeder mit seinen individuellen Fähigkeiten ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Heute habe ich das Gefühl, dass alles doch sehr eindimensional ist. Tennis ist sehr körperlich geworden, es wird fast nur noch von der Grundlinie draufgehauen. Serve-and-Volley-Spieler sind ausgestorben, Trickschläge sieht man immer weniger. Ich finde das schade. Für mich wirkt Tennis heute manchmal so, als würde man beim Golf alle Hindernisse entfernen. Draufhauen kann eigentlich jeder.

Was würden Sie denn verändern, wenn Sie zu bestimmen hätten?

Cash:

Ich würde die Besaitung der Schläger verändern. Die sind heutzutage viel zu hochgerüstet. Wenn man da etwas Tempo rausnehmen würde, könnte das Spiel wieder variabler werden. Ich glaube, das würde helfen.

Es wird ja oftmals auch darüber geklagt, dass dem Tennis die Typen fehlen. Typen, wie Sie einer waren.

Cash:

Das halte ich für Unsinn. Es gibt auch in dieser Generation viele tolle Jungs. Federer, Djokovic, Rafael Nadal, sie prägen den Sport. Mein Lieblingsspieler ist seit langem Radek Stepanek, weil er so variabel ist und alles kann. Aber auch ein Grigor Dimitrov ist ein sehr interessanter Mann. Oder euer deutscher Star, Tommy Haas, der ist der Lieblingsspieler eines meiner Söhne. Und die meisten Jungs können nichts dafür, dass ihr Spiel sich so ähnelt. Das Erfolgsstreben zwingt sie dazu.

Sie haben früher selbst dafür gesorgt, bekannter zu werden, indem Sie mit Ihrem schwarz-weißen Bandana ein Markenzeichen entwickelt haben. Wie kam es dazu?

Cash:

Ach, das hatte mit meiner Rock’n’Roll-Leidenschaft zu tun. Ich wollte etwas anderes tragen als so ein langweiliges Stirnband, das die anderen hatten. Meine Lieblingsband war damals „Cheap Trick“, deren Gitarren hatten dieses schwarz-weiße Muster, das ich mir für mein Tuch ausgesucht habe. Und dann habe ich auch meine Schweißbänder am Handgelenk so gestaltet. So wurde ein Geschäft daraus.

An dem Sie nicht so viel verdient haben dürften. Die meisten Schweißbänder haben Sie doch ins Publikum geworfen.

Cash:

Tatsächlich, das war eine Geste, die ich damals begründet habe und die heute fast alle Spieler übernommen haben. Als ich ein Junge war, habe ich in Melbourne als Ballkind gejobbt. Damals hat mir ein Spieler, dessen Namen ich nicht erinnere, sein Schweißband geschenkt. Das fand ich toll, und daran habe ich mich als Profi erinnert und es ebenso gemacht wie er.

Ihrer Heimat Australien geht es ähnlich wie anderen großen Tennisnationen, Deutschland, Schweden oder den USA: Es fehlt starker Nachwuchs, andere Nationen sind weit enteilt. Erfüllt Sie das mit Sorge?

Cash:

Nein, das halte ich für ganz normal. Tennis ist auf der ganzen Welt enorm gewachsen, dadurch wird die Konkurrenz größer, neue Nationen holen auf und werden stärker. Und oftmals dauert es nach überragenden Erfolgen, wie sie in Deutschland Boris Becker und Michael Stich hatten, sehr lange, bis Vergleichbares nachwächst. Vielleicht werden sie sich in Serbien in 20 Jahren, wenn Djokovic Geschichte ist, auch fragen, was aus dem Tennis geworden ist. Ich sorge mich nicht, zumal in Australien mit Nick Kyrgios oder Thanasi Kokkinakis sehr vielversprechende Talente nachkommen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum es Tennis in den einst großen Nationen schwer hat.

Und der wäre?

Cash:

Dass die Jugendlichen heutzutage eine so unfassbar große Auswahl an Freizeitmöglichkeiten haben. Vielen fällt es deshalb schwer, sich für eine Sache richtig zu quälen. Und es gibt außerdem in jedem Land Sportarten, die alles andere erdrücken. In Australien sind Schwimmen und Surfen riesig, oder auch Rugby und Australian Football. Und ihr Deutschen habt Fußball.

Das stimmt. Und Sie haben das Glück, in Hamburg mitzuerleben, wie Deutschland um den WM-Titel kämpft.

Cash:

Darauf freue ich mich sehr. Ich habe in London, wo ich die meiste Zeit meines Lebens verbringe, das Halbfinale gegen Brasilien gesehen und konnte nicht glauben, was da passierte. Jetzt drücke ich die Daumen, dass ich mit euch den WM-Titel feiern kann.