Der Hamburger Daviscupspieler möchte bei seinem Heimturnier am Rothenbaum endlich seine beste Leistung abrufen

Hamburg. Eins will Tobias Kamke gleich einmal klarstellen: Soll doch bitte niemand denken, er würde sich damit zufriedengeben, in der kommenden Woche vielleicht ein, zwei Matches zu gewinnen! „Der Rothenbaum ist für mich etwas ganz Besonderes. Wenn ich die Wahl hätte, in meiner Karriere nur ein einziges ATP-Turnier gewinnen zu können, dann würde ich Hamburg wählen. Ich will hier immer weit kommen und das beste Tennis zeigen, das ich spielen kann“, sagt der 28-Jährige.

Das klingt so trotzig, wie es ein höflicher und zurückhaltender Mensch wie Kamke eben sagen kann, und gleichzeitig doch auch entschuldigend, denn die Leistungen, die Hamburgs bester Tennisprofi in den vergangenen Jahren bei seinem Heimturnier in den roten Sand setzte, hatten mit diesen Worten nicht Schritt halten können. Im Vorjahr scheiterte Kamke in Runde zwei, 2012 war gar schon die erste Runde Endstation, wie auch bei seinem Hauptfelddebüt 2010. Nur 2011 konnte er mit dem Achtelfinaleinzug sein Leistungsvermögen ausschöpfen. „2011 habe ich sicherlich am stärksten gespielt“, sagt er, „mit den beiden vergangenen Jahren bin ich selbst total unzufrieden.“

Von Turnierdirektor Michael Stich, 45, der als großer Förderer des gebürtigen Lübeckers gilt, hat er dennoch auch für die am Sonnabend mit der Qualifikation startende 2014er-Auflage wieder eine Wildcard erhalten, verbunden allerdings mit einer deutlichen Kritik des Wimbledonsiegers von 1991. „Tobi hat in den vergangenen Jahren nicht ansatzweise die Leistung gebracht, die ich von ihm erwarte. Ich wünsche mir, dass er in diesem Jahr den Druck abstreift, hier besonders überzeugen zu müssen, und einfach sein bestes Tennis zeigt“, sagte Stich. Kamke hat diese Worte in Demut aufgenommen, wie er es meist tut, wenn Stich ihn attackiert. „Ich nehme seine Worte als große Motivation, denn sie zeigen mir ja, dass er mein Potenzial höher einschätzt und mir mehr zutraut. Das finde ich besser, als wenn er überrascht wäre, wenn ich mal eine Runde überstehe.“

Das mit dem Potenzial ist tatsächlich so eine Sache bei Kamke. Stich traut dem athletisch bestens ausgebildeten Rechtshänder grundsätzlich mehr zu als den Weltranglistenplatz 82, den dieser derzeit belegt. Dafür aber müsse er andere Reize setzen, seine Komfortzone häufiger verlassen. Erste Ansätze dazu, das umzusetzen, hatte Kamke mit dem Trainerwechsel Ende des vergangenen Jahres erkennen lassen. Die Arbeit mit Sascha Nensel, der seinen langjährigen Coach Ralph Grambow ersetzte, findet meist in Hannover statt. Kamke empfindet das als fruchtbar, er habe von Nensel viele Anregungen erhalten und dadurch Ansätze gefunden, die sein Spiel verbessern sollen.

Gesehen hat man davon allerdings bislang wenig. Kamke gesteht das ohne Umschweife ein, den Grund dafür habe er selbst zu verantworten, sagt er. Nach seinem großartigen Auftritt beim unglücklichen 2:3 im Daviscup-Viertelfinale in Frankreich Anfang April, als er das Auftakteinzel gegen Julien Benneteau gewann, habe er es versäumt, eine ausreichende Pause einzulegen. „Ich war nicht nur körperlich, sondern auch mental total leer, weil die Daviscupwoche mich immens gefordert hat. Das habe ich unterschätzt“, sagt er, „und das hat mich um vier Wochen zurückgeworfen.“ Erst beim Mastersturnier in Madrid Anfang Mai habe er langsam wieder in die Spur gefunden.

In dieser Woche hat Tobias Kamke erstmals vor dem Rothenbaum-Turnier – auch das ein Rat Stichs – eine Spielpause eingelegt, er hat auf Sand trainiert und sich nur darauf konzentriert, in Hamburg in Topform aufzulaufen. Wahrscheinlich wird er auch 2014 nicht den Titel holen. Aber er will alles dafür getan haben, um sich nichts mehr vorwerfen lassen zu müssen.