Der Topfavorit deklassiert beim 145. Deutschen Derby in Horn die Konkurrenz mit elf Längen Vorsprung – weil er im richtigen Moment abbiegt

Hamburg. Es waren Momente, auf die Markus Klug ein Leben lang hingearbeitet hat. „Der Lebenstraum, der Lebenstraum“, schrie der 38-Jährige immer wieder und umarmte jeden, der ihm in die Quere kam. Vor der Haupttribüne ließ er sich anschließend minutenlang wie ein Fußballstar, der gerade bei der WM in Brasilien den Siegtreffer im Finale erzielt hatte, vom Publikum feiern. Wenige Sekunden zuvor hatte sein Pferd Sea the Moon mit Jockey Christophe Soumillon im Sattel vor 23.000 Zuschauern das 145. Deutsche Galoppderby in Horn gewonnen.

Als sich die Emotionen gelegt hatten, verriet der Sieger-Trainer nüchtern und sachlich die Taktik, die er Europas bestem Jockey im Führring mit auf den Weg gegeben hatte. „Christophe sollte, wenn das Rennen langsam läuft, im Horner Bogen die Führung übernehmen und dann nach außen abbiegen. Dort ist der Boden am besten.“ Sea The Moon flog davon, sein Reiter drehte sich schon hundert Meter vor dem Ziel nach der chancenlosen Konkurrenz um und stellte sich in den Sattel. Er war sich seines Sieges sicher.

Dabei hatte der Einsatz des belgischen Jockeys fast auf der Kippe gestanden. Vor dem Rennen machten Gerüchte die Runde, dass er am Sonnabend vom Pferd gefallen sei und sich verletzt habe. „Das stimmt nicht“, sagte Heike Bischoff-Lafrentz, Züchterin und Besitzerin des Siegpferdes sowie Besitzerin des Gestüts Görlsdorf in der Uckermark.

Nach der Siegerehrung wurde das Geheimnis gelüftet. Soumillon hatte sich bei der Fernsehübertragung des WM-Viertelfinalspiels Deutschland gegen Frankreich eine Blessur am Daumen zugezogen. Als Mats Hummels das 1:0 erzielte, schlug der in der Nähe von Paris lebende Jockey, der in diesem Jahr schon 105 Rennen gewann, vor Wut auf die Glasplatte eines Tisches. Er erlitt eine Schnittwunde, die mit drei Stichen genäht wurde.

Behindert hat ihn diese Verletzung jedoch nicht, Sea The Moon gewann nach 2400 Metern mit einem Vorsprung von elf Längen vor dem in diesem Jahr noch unbesiegten Lucky Lion (Ioritz Mendizabal) und dem Außenseiter Open Your Heart (Mirco Demuro).

Soumillon hatte erst am Dienstag den Sattel von Andreas Helfenbein übernommen. „Das war eine schwere Entscheidung, die wehtat“, sagte Bischoff-Lafrentz: „Aber wir hatten das Gefühl, dass wir mit dieser Entscheidung in die richtige Richtung gehen.“

Der Erfolg sollte ihr recht geben. Bischoff-Lafrentz kassierte für den Sieg 390.000 Euro zuzüglich einer Züchterprämie von 93.600 Euro. Angesichts des Namens des Pferdes sprach die Besitzerin von einer „ganz persönlichen Mondlandung“. Soumillon selbst zeigte sich nach dem Sieg fast schon unterkühlt. In der Startbox, erzählte er, vernahm er zwar noch ein Problem am Nacken seines Pferdes. Doch nach dem gelungenen Start waren diese Sorgen verflogen. Der Rest ist Geschichte: „Ich habe vor dem Rennen gesagt, dass ich selbstbewusst bin. Und ich weiß nicht, wie Sie es sehen, aber es war doch ein recht einfaches Rennen“, sagte der Belgier. Helfenbein selbst gehörte zu den ersten Gratulanten. „Das fühlt sich wie ein eigener Sieg an. Es hat riesig Spaß gebracht“, jubelte der fürs Derby degradierte Reiter, der jedoch weiter als Stalljockey bei Klug arbeiten wird.

Etwas abseits vom Geschehen stand Andreas Löwe (Köln), Trainer des zweitplatzierten Lucky Lion, und schaute dem Trubel um Soumillon zu. „Ich bin sehr zufrieden, dass mein Pferd so weit vorne gelandet ist“, sagte der 71-Jährige. „Der Hengst war topfit, er hatte leider das Pech, auf einen heute unschlagbaren Sea The Moon zu treffen.“ Löwe klagte, er sei von den Offiziellen nicht beachtet worden: „Ein zweiter Platz ist doch auch einiges wert.“

Für etwas Glamour sorgte die Scheichabordnung mit fünf Bodyguards vom Godolphin-Rennimperium aus Dubai. Die Nachnennung für Pinzolo (65.000 Euro) brachte nichts: Der Hengst wurde 15. Noch zwei Plätze dahinter landete Geoffrey Chaucer aus Irland, der ebenfalls nachgenannt worden war. Zufrieden war Kaffeekönig Albert Daboven, der Derby-Titelsponsor. Der im Gestüt Idee gezüchtete Hengst belegte im 18er-Feld abgeschlagen den 13. Platz. „Das Pferd ist noch grün, ähnlich wie sein Bruder Russian Tango es als Dreijähriger war“, bekannte der Renn-Club-Vizepräsident. „Aber seine Zeit wird noch kommen.“

Der Totoumsatz am Derby-Sonntag betrug in zwölf Rennen insgesamt 1.118.645,05 Euro, das ist ein Rückgang von 7,7 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr. „Den anvisierten Gesamtumsatz von drei Millionen Euro werden wir wohl nicht ganz erreichen“, sagte Renn-Club-Vizepräsident Hans-Ludolff Matthiessen.

Vom letzten Renntag des diesjährigen Derbymeetings am Dienstag (15.30 Uhr) verspricht sich der Renn-Club zusätzliche Einnahmen, denn die Hamburger Rennen werden in alle 12.000 französische Wettannahmestellen übertragen. Dann werden Provisionszahlungen von etwa 60.000 Euro fällig.

Zwei glückliche Wetter kassierten am Sonntag in Horn das große Geld. Sie hatten die Viererwette getroffen und teilten 61.130 Euro unter sich auf. Der kleine Unterschied: Einer hatte 7644 Euro eingesetzt, der andere nur acht Euro.