Vor einem Jahr verunglückte Bohumil Nedorostek bei einem Hürdenrennen in Horn. Jetzt fordert er Schadensersatz.

Hamburg. Nachts, wenn er wieder einmal nicht zur Ruhe kommt, dann packen ihn die Erinnerungen. Dann denkt Bohumil Nedorostek, 41, an jenen Tag zurück, der seine Reiterkarriere beendet hat. Es geschah am 6. Juli 2013 auf der Galopprennbahn in Hamburg-Horn, bei einem Hürdenrennen über 3400 Meter. Drei Reiter wurden vor einem Hindernis von ihren Pferden abgeworfen. Die Vollblüter kehrten um, als Streckenposten sie einfangen wollten, und galoppierten dem übrigen Feld entgegen. Es kam zu einer Kollision, bei der die Pferde Glad Royal und Cool Kid starben. Die Rennleitung hatte nicht den richtigen Überblick über das Geschehen, das Rennen wurde nicht abgebrochen.

Bohumil Nedorostek, Reiter des Mitfavoriten Glad Royal, wurde schwer verletzt mit einem Rettungshubschrauber ins Boberger Unfallkrankenhaus geflogen. Er erlitt mehrere Brüche und etliche Prellungen. Bis heute hat er diesen Tag und die darauffolgenden Monate nicht vergessen. Sein linkes Fußgelenk ist heute noch versteift, die linke Hand kann er nur eingeschränkt bewegen. Der gebürtige Tscheche, geboren in der Landeshauptstadt Prag, dort später zum Berufsrennreiter ausgebildet, ist immer noch krankgeschrieben. „Wenn ich draußen spazieren gehe, dann wird der Fuß sofort dick“, klagt er. Der Reiter erhält weiter Krankengeld, er ist in ärztlicher Behandlung und hat regelmäßig Termine bei der Berufsgenossenschaft. Gebracht hat ihm das, bedauert er, bisher wenig: „Ich erhielt bei meinen Besuchen mehrmals die Antwort, dass das Gutachten noch nicht fertig sei.“

Bohumil Nedorostek gehörte früher zur Reiterstaffel der Polizeidirektion Hannover, heute ist er Sachbearbeiter bei der Kriminalpolizei in Hannover, zuständig für Kraftfahrzeug-Angelegenheiten. Vom Pferd gefallen ist er oft, passiert ist ihm selten etwas. Anders bei den Tieren: Auf der Rennbahn in Enghien bei Paris sprang sein Pferd zu früh in den Oxer und brach sich das Genick; in Nancy (Frankreich) erlitt sein bestes Pferd, das er je hatte, einen Beinbruch und musste eingeschläfert werden. Vor zweieinhalb Jahren, damals war er noch Mitglied der Polizeireiterstaffel in Hannover, stieß sein Pferd mit einem Silagefahrzeug zusammen. „Aber so schlimm wie in Hamburg war es noch nie“, behauptet der Tscheche, der während seiner nebenberuflichen Reiterkarriere als Freelancer durch die Lande zog. Wenn Trainer oder Besitzer von Rennpferden riefen, dann war er an den Wochenenden zur Stelle.

Bohumil Nedorostek hat sich vor einigen Wochen einen Rechtsbeistand gesucht. Seine Anwältin hat einen Brief an den Hamburger Renn-Club (HRC) geschrieben, sie fordert für ihren Mandanten Schadensersatz. Von etwa 10.000 Euro soll die Rede sein.

HRC-Präsident Eugen-Andreas Wahler sagte dem Abendblatt: „Wir haben den Brief an die Haftpflichtversicherung weitergeleitet und ein Begleitschreiben beigelegt mit der Bitte: Regelt das doch! Mehr können wir leider für den armen Kerl nicht tun. Die Angelegenheit muss ihren vorgeschriebenen Weg gehen. Selbst wenn wir es wollten: Die Versicherung hat das letzte Wort.“ Nach dem Unfall vor einem Jahr hatte HRC-Vizepräsident Albert Darboven den verletzten Rennreiter spontan im Boberger Unfallkrankenhaus besucht und sich nach dessen Gesundheitszustand erkundigt. „Seitdem ist leider nichts passiert, es hat in der Zwischenzeit keinen Kontakt mit Hamburg mehr gegeben“, versichert Bohumil Nedorostek.

Freunde und Bekannte haben ihm in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach geraten, den Renn-Club zu verklagen. Das jedoch will Nedorostek auf keinen Fall. Er möchte nur, dass es irgendwann zu einer gütlichen Einigung kommt. „Ich würde mich auch sehr über ein Gespräch mit Herrn Wahler freuen“, sagt er. Klage eingereicht haben dagegen die Besitzer des Rennstalles „Barbara“, denen das tödlich verunglückte Rennpferd Glad Royal gehörte. Es geht um den Vorwurf, dass das Hürdenrennen nach dem Zwischenfall nicht abgebrochen worden war.

An diesem Dienstag kommt Nedorostek zur Derbywoche nach Horn. Er hofft, dass es endlich zu einem Treffen mit einem Vorstandsmitglied des HRC kommt. Er bringt auch sein Arbeitszeug mit. Vor dem sechsten Rennen des Tages, dem mit 8000 Euro dotierten Preis der German-Toto-Wettannahmestelle, wird er sich um das Startpferd eines Freundes kümmern.

Bohumil wird es in der Stallbox putzen, es striegeln und zum Führring bringen. Dort wartet der Jockey, der das Pferd in dem Ausgleich IV reiten wird. Bohumil Nedorostek würde am liebsten selber in den Sattel steigen. Geträumt hat er seit Monaten davon, dass er am letzten Tag des Derbymeetings (8. Juli) im Hamburger Seejagdrennen sein Reitercomeback bestreiten könne. Dieses Rennen hat er schon mehrfach bestritten, den Kurs kennt er wie seine Westentasche. Doch dieser Traum wird nicht in Erfüllung gehen.