Damen verpassen WM-Halbfinale, Herren droht dies am Dienstag. Verbandsspitze und Bundestrainer wollen für Veränderungen kämpfen

Den Haag. Es gibt ja diesen Spruch, den Holländer nutzen, wenn es in großen Turnieren gegen die Deutschen geht. „Deutsche Sportler sind erst besiegt, wenn sie im Bus in die Heimat sitzen.“ Das mag stimmen, die Chancen auf eine Halbfinalteilnahme der deutschen Hockeyherren bei der WM in den Niederlanden sind jedoch nur noch marginal, die deutschen Damen haben das Semifinale bereits verpasst. Unabhängig vom Abschneiden aber hat die Verbandsspitze mit der Aufarbeitung des Turniers begonnen.

„Jeder sieht, dass beide Teams nicht richtig im Turnier angekommen sind, weil wir in der Vorbereitung nicht die Zeit hatten, um sie optimal einzustellen. Es ist eingetreten, was wir befürchtet hatten: dass uns der frühe WM-Termin große Schwierigkeiten bereitet“, sagt Sportdirektor Heino Knuf. Während bei den Herren Verletzungen und Krankheiten sowie berufliche Beanspruchung wichtiger Leistungsträger die Vorbereitung beeinflussten, fehlt den Damen die Wettkampfhärte, die man nur im regelmäßigen Vergleich mit den Topnationen bekommt. Das Problem: Es fehlen Zeit und auch Geld, um diese Vergleiche auszutragen.

Die leitenden Verbandsfunktionäre sind sich mit den Bundestrainern Markus Weise (Herren) und Jamilon Mülders einig, dass einige Grundübel an ihren Wurzeln gepackt werden müssen. Präsident Stephan Abel sieht drei Kernpunkte. „Erstens leisten wir uns als einzige Nation, mit Hallen- und Feldhockey zwei verschiedene Sportarten auf höchstem Niveau ausüben zu wollen. Zweitens müssen wir mit den Vereinen daran arbeiten, dass die Terminplanung für die Nationalspieler entlastet wird. Und drittens sind wir leider Sklaven des Weltverbands, dessen Fokus nicht auf dem Sport und den Athleten liegt, sondern auf der kommerziellen Entwicklung möglichst vieler Turniere.“

Problem eins mag hausgemacht erscheinen, dennoch ist man beim DHB überzeugt, auf die Halle nicht verzichten zu wollen. „Die Ausbildung im taktischen und koordinativen Bereich, die unsere Spieler in der Halle genießen, ist ein wichtiger Baustein für die Erfolge im Feld“, sagt Knuf. Zwar könne man überlegen, im Erwachsenenbereich den Hallenspielbetrieb zu reduzieren, dennoch werde man an der Spielvariante unter dem Dach festhalten. Das könnte ein Pluspunkt werden, sollte das Internationale Olympische Komitee (IOC), das Hockey nach den Spielen 2012 in London auf der Streichliste hatte und nur knapp den Vorzug vor dem Ringen gab, entscheiden, bei Olympia auf die Spielvariante Hockey 5 (vier Feldspieler plus Torwart) zu setzen. Der Weltverband hatte diese eingeführt, um auch mitgliederschwachen Verbänden einen geregelten Spielbetrieb zu ermöglichen und um die Zahl seiner Mitgliedsverbände von aktuell rund 130 zu erhöhen.

Problem zwei ist schwerwiegender. Um die Leistungsdichte zu verbessern und um Zeitkorridore für Nationalmannschaftslehrgänge freizuschlagen, regt Damen-Chefcoach Mülders eine Reduzierung der Bundesliga von zwölf auf acht Vereine und eine Komprimierung der Hallensaison an, die derzeit in vier Regionalstaffeln à sechs Teams ausgetragen wird. Dem müssten jedoch auf dem Bundestag 2015 die Vereinsvertreter zustimmen, und die schauen meist nicht auf das große Ganze, sondern zunächst auf ihre Sorgen.

Sie brauchen die Nationalspieler, um wahrgenommen zu werden, und sie brauchen viele Spiele, um sich finanzieren zu können. Die Lösung könnte eine Rückkehr zu Regionalstaffeln sein, aus denen sich die Besten schnell zu einem Achterfeld zusammenfinden. Die Leistungsdichte würde steigen, der Terminkalender entzerrt. „Es wäre perfekt, wenn wir im September und Oktober und von April bis Juni Feldhockey, im Januar und Februar in der Halle spielen und den Rest für die Nationalteams freihalten würden“, sagt Mülders.

Diese Rechnung berücksichtigt Problem drei nicht ausreichend. Der Weltverband, der auf Hallenhockey keine Rücksicht nimmt, überrascht ständig mit neuen Ideen. So wurde vor zwei Jahren die World League als Qualifikationsturnier für WM und Olympia eingeführt, trotzdem gibt es weiter EM und Champions Trophy, die zwar massiv abgewertet wurden, dennoch nicht ausgelassen werden können, weil sie Punkte für die Weltrangliste bringen, die wichtig für die Einstufung zur World League ist. Und ein Verpassen Olympias kann sich der Hockeybund nicht leisten, weil daran die Fördermittel des Bundesinnenministeriums gekoppelt sind. Das WM-Abschneiden hat dagegen kaum Einfluss auf die staatlichen Gelder.

Dazu kommen Gedankenspiele um die Einführung einer Vereins-WM, auf die die aufstrebende indische Profiliga drängt, deren Finanzkraft schon jetzt eine Reihe an Nationalspielern während der Hallensaison anlockt. Eine Damenliga ist in Indien ebenfalls in Planung. „Wenn das kommt, weiß ich nicht mehr, wann wir noch Lehrgänge abhalten sollen“, sagt Mülders.

2015 müssen sich die deutschen Teams Anfang Juni bei der World League für Rio 2016 qualifizieren und im August die EM in England spielen. Das Bundesligafinale soll deshalb auf Anfang Juli verlegt werden. Wie viele solcher Kompromisse man den Vereinen und vor allem den Auswahlspielern zumuten kann, ist ungewiss. „Im Zweifel müssen die Clubs auch mal auf ihre Nationalspieler verzichten“, sagt Abel. Sportdirektor Knuf ist bei aller Enttäuschung über das wahrscheinliche Verpassen des Halbfinales nicht allzu böse, dass die Defizite offen zutage getreten sind. „Es ist ganz deutlich, dass das ganze System überfrachtet ist“, sagt er.