Teamkollege Daniel Ricciardo gewinnt den Großen Preis von Kanada und distanziert den Weltmeister

Montréal. Red Bull war erstmals in dieser Saison wieder ganz vorne, aber Sebastian Vettel hatte damit nichts zu tun. Seinen ganzen Frust über das Rennen in Montréal, über sein Auto und über diese Saison 2014 packte der Weltmeister in einen einzigen Satz. „Dass mit unserer Gurke auf der Geraden nichts geht“, sagte Vettel, „ist einfach frustrierend. Entschuldigung, aber das muss man mal so sagen.“

Sein dritter Platz beim Großen Preis von Kanada war für den 26-Jährigen kein Erfolg. Denn an diesem außergewöhnlichen Sonntag war erstmals seit Monaten der Sieg möglich gewesen, doch den holte ausgerechnet jemand, der in der gleichen „Gurke“ saß wie der Champion: sein neuer Teamkollege Daniel Ricciardo. Der ewig gut gelaunte Australier feierte den ersten Erfolg seiner jungen Formel-1-Karriere. Obwohl er hinter Vettel gestartet war.

Und so langsam läuft er dem Deutschen in dieser Saison den Rang ab. „Das ist cool“, sagte Ricciardo nach seinem Triumph, und sein Dauergrinsen wurde noch ein bisschen breiter: „Es ist ein bisschen surreal. Ich werde Zeit brauchen, bis ich das verarbeitet habe“, sagte der 24-Jährige, der in der Schlussphase an WM-Spitzenreiter Nico Rosberg vorbeizog. „Es ist ein Moment, den ich bewahren sollte.“

Dabei hatte lange alles auf einen Langweiler hingedeutet. Bis zur Hälfte des Grand Prix hatte das Mercedes-Duo nach zuletzt fünf Doppel-Erfolgen in Serie klar dominiert. Dann aber tauchten die Leistungsprobleme an ihren Elektromotoren der Hybrid-Triebwerke auf. „Das war ein harter Kampf vom Anfang bis zum Schluss“, resümierte Rosberg. Der WM-Spitzenreiter hatte mit großem Kampfgeist noch Platz zwei gerettet und sich damit innerhalb weniger Wochen zum klaren Favoriten im Duell der Silberpfeile um den Titel gemausert. „So wie der Nico gefahren ist“, sagte der dreimalige Champion Niki Lauda, „das war weltmeisterlich.“

Rosberg selbst wirkte nach 70 kräftezehrenden Runden zunächst wenig euphorisch. Den Sieg hatte er erst spät an Ricciardo verloren, den zweiten Platz nur knapp vor Weltmeister Vettel im zweiten Red Bull verteidigt. „Ohne einen Sieg aus Kanada abzureisen“, sagte Rosberg, „ist eine große Enttäuschung für uns. Ich habe keine Lust, dass Red Bull gewinnt, das ist nix – wir wollen die immer schlagen.“

Der erste Sieg Red Bulls in der für das Team so schwierigen Turbo-Hybrid-Ära war begünstigt durch die technischen Probleme der sonst so dominanten Mercedes-Piloten. Trotzdem war der Erfolg ein kleiner Meilenstein, ein Mutmacher für Red Bull – und auch der gehört nun nicht dem viermaligen Champion Vettel, sondern seinem Kronprinzen. In der WM-Wertung liegt Ricciardo (79 Punkte) mittlerweile deutlich vor dem Teamkollegen (60), er schnitt fünfmal in Folge besser ab. Das ist schon kein Zufall mehr, auch kein Aha-Erlebnis, sondern die Regel. „Dass mich das anfrisst, ist keine Frage“, sagte Vettel, „um Zweiter oder Dritter zu werden, bin ich nicht hier.“

Dabei konnte sich Vettel in Montréal anders als so oft in den vergangenen Monaten nicht einmal über die Technik beschweren. Seine „Gurke“ lief rund, stieß jedoch an ihre Grenzen, als Vettel hätte überholen müssen – in dieser Not wählte seine Crew die falsche Strategie, „das hat mich dann übers Kreuz gelegt“, sagte er. Ricciardo dagegen hatte Erfolg mit dem Zeitpunkt seiner Boxenstopps, und so war er es am Ende, der in die Position für den Sieg kam. Das könnte man Glück nennen, doch es reiht sich nahtlos ein in die Saison: Für Ricciardo läuft es, für Vettel nicht.