Die niederländischen Hockeyherren stehen vor dem Gruppenspiel am Freitag gegen Deutschland (19.45 Uhr/Sport 1) ebenso unter Erfolgsdruck wie der Erzrivale

Den Haag. Die Erwartung, die die niederländische Tageszeitung „De Telegraaf“ zum Start der Hockey-WM am vergangenen Sonnabend formuliert hatte, war eindeutig. „Zeit für den Titel“, so stand es auf einer Sonderseite geschrieben, und um jedem niederländischen Nationalspieler seine besondere Verantwortung zu verdeutlichen, wurde im Einstiegssatz die Leidenszeit der Fans beziffert. Seit 16 Jahren warten die Anhänger der Oranje-Herren nun schon auf einen WM-Titel, und das ist für eine Nation, die sich mit gutem Recht als Herz des Hockeysports versteht, eine Ewigkeit.

„Natürlich spüren wir die riesige Erwartungshaltung, die uns bei dieser WM begleitet“, sagt Robbert Kemperman. Der 23-Jährige ist Mittelfeldspieler bei Kampong Utrecht und war am Dienstagabend der Held, als sein Tor eineinhalb Minuten vor Spielende den 2:1-Sieg gegen Südkorea sicherte, mit dem die Niederlande in der deutschen Gruppe Rang zwei hinter den starken Neuseeländern sicherten. Als Kemperman zum Auftaktspiel gegen Argentinien (3:1) in das mit 15.000 Fans ausverkaufte Kyocera-Stadion eingelaufen war, sei ihm abwechselnd heiß und kalt geworden. „So eine Atmosphäre hatten wir uns vielleicht erträumt, aber nicht erwartet. Umso schöner ist es, Teil des Ganzen sein zu dürfen“, sagt er. Genau das haben die beiden Gastgeberteams in der Vorbereitung auf die „Heim-Spiele“ trainiert. Ihre Mentaltrainer haben sie darauf eingestellt, die Atmosphäre als Unterstützung und nicht als Belastung wahrzunehmen. „Wir haben im Vorfeld sehr viel darüber geredet und gemeinsam beschlossen, dass wir dieses Turnier genießen müssen. Ich fühle mich durch die Fans so beflügelt, dass ich glaube, immer mit zwölf Mann zu spielen“, sagt Kemperman.

Bislang scheint das Prinzip, sich die Lockerheit zu bewahren, sehr gut aufzugehen. Anders als beispielsweise die deutschen Fußballerinnen, die 2011 bei ihrer Heim-WM am öffentlichen Interesse zerbrachen, sind holländische Hockeyspieler gewohnt, dass sich die Medien für sie interessieren. Und die Damen, die am Donnerstagabend beim 2:0 gegen Neuseeland ihren dritten Sieg im dritten Gruppenspiel feierten, haben auch keinen ganz so hohen Erfolgsdruck wie die Herren. Sie sind amtierender Olympiasieger, waren 2006 zuletzt Weltmeister und 2011 Europameister. „Natürlich glauben alle, dass wir den Titel holen werden. Aber wir sind das gewohnt und ziehen sehr viel Kraft aus der Unterstützung der Fans“, sagt Mittelfeldspielerin Eva de Goede. Damen-Bondscoach Max Caldas unterstreicht die Bedeutung der psychologischen Vorbereitung. „Dadurch dass wir das sehr ernst genommen haben, wussten die Mädels, was auf sie zukommt, und können jetzt die Situation genießen. Es macht uns allen riesigen Spaß.“

Hollands Hockeyherren warten seit 16 Jahren auf einen WM-Titel

Der Spaß für die Herren hängt dagegen maßgeblich vom messbaren Erfolg ab. Selbst der letzte kontinentale Titel liegt sieben Jahre zurück, olympisches Gold gewannen sie letztmals 2000 in Sydney. Und nun steht an diesem Freitag (19.45 Uhr/Sport 1) das richtungweisende Gruppenspiel gegen den Erzrivalen aus Deutschland an.

Siegen die Gastgeber, haben sie bei noch zwei ausstehenden Partien sechs Zähler Vorsprung auf die Auswahl von Bundestrainer Markus Weise, die nach dem Auftakt-4:0 gegen Südafrika überraschend Argentinien 0:1 unterlegen war. Den spielfreien Donnerstag nutzten die deutschen Auswahlspieler, um beim Minigolfspielen den Kopf freizubekommen. Am Mittwochabend waren sie gemeinsam in der Innenstadt essen.

„Wir kennen doch die Deutschen“, sagt Robbert Kemperman, der sie wirklich gut kennt, weil er von 2010 bis 2012 für Rot-Weiß Köln in der Bundesliga spielte, „sie haben immer ein schlechtes Spiel in der Vorrunde und sind danach voll konzentriert. Ich erwarte ein extrem intensives und stimmungsvolles Spiel.“ Dass es ihnen eine große Freude wäre, den Olympiasieger aus dem Weg zu räumen, verhehlen die Niederländer nicht. Es wäre ein erster, wichtiger Schritt auf dem Weg, die Erwartungen der Landsleute zu erfüllen.