Am Sonnabend werden in Hamburg die deutschen Meister im Kettlebell gekürt. Eine Schülerin hat den Sport bekannt gemacht

Hamburg. Alles begann mit einem Verbot. Josephine Pora sollte nicht mehr mit den Jungs trainieren dürfen in der Rugbyjugend des FC St. Pauli. Da fasste die damals 13-Jährige einen Entschluss: „Ich wollte nicht zulassen, dass die Jungs stärker sind als ich.“ Und weil sie gehört hatte, dass von ebendiesen Jungs einige ihre Kraft mit Kugelhanteln aufbauten, stand sie eines Tages im Herbst 2011 selbst in der Halle des Athleten-Clubs Hamburg in Barmbek-Süd vor Trainer Johann Martin. Josephine Pora hatte keine Ahnung, was sie erwartete. Es wurde eine neue Leidenschaft.

Ein Jahr später war sie bereits Jugendeuropameisterin im Kettlebell. Wer den Begriff im Internet sucht, begegnet muskelbepackten Damen und Herren, die wortreich erklären, warum diese Kugelhanteln ein ideales Fitnessprogramm sind. Die Crossfit-Methode, die in Amerika entwickelt wurde und nun auch in Deutschland immer mehr Anhänger findet, hat die Kettlebells für sich entdeckt. Josephine Pora hat damit kein Problem. Es hat nur nichts mit dem zu tun, was sie macht: echten Wettkampfsport nämlich, Disziplin Reißen.

Zehn Minuten Zeit hat sie, um die Kugel so oft wie möglich zwischen den Beinen hindurchzuschwingen und in die Senkrechte nach oben zu wuchten. Mit der 16-Kilogramm-Hantel schafft sie das 200-mal. An diesem Sonnabend, bei den deutschen Meisterschaften in der Halle an der Osterbekstraße, wird sie es mit 24 Kilogramm versuchen. Die sind eigentlich den erwachsenen Frauen vorbehalten, „aber das gefällt mir“. Aus Normen und Vorschriften scheint sie sich nicht viel zu machen.

Dass sie die weiße Blume im Haar beim Rugby nicht tragen darf, hat Josephine Pora zähneknirschend akzeptiert. Beim Kettlebell-Training aber müsse das Accessoire sein, genauso wie die rot lackierten Fingernägel. Man sollte sich davon besser nicht täuschen lassen. Auf dem Spielfeld, sagt Josephine Pora, werde sie „zum Tier“. Beim Kettlebell sei es eher ein innerer Kampf, eine ständige Auseinandersetzung mit sich selbst. Aber immer und immer wieder die gleiche Bewegung, wird das nicht langweilig? „Dafür ist es viel zu anstrengend“, sagt sie.

Josephine Pora kann von ihrem Sport erzählen wie ein Routinier. Sie ist jetzt 16 Jahre alt, aber sie kann mit Medien umgehen, schon weil sie am Allee-Gymnasium die Schülerzeitung leitet. Sie hatte Auftritte im NDR und hat bei „TV Total“ Moderator Stefan Raab, den sie vorher gar nicht kannte, eine bemerkenswerte Lehrstunde erteilt. Sie sagt Sätze wie: „Das Kettlebell-Training macht mich selbstbewusst, man geht aufrecht durchs Leben.“

Johann Martin, 66, weiß um die Effekte: „Es ist ein ideales Ganzkörpertraining, das den Rumpf stabilisiert.“ Der Diplomsportlehrer hat in seiner Jugend in der Sowjetunion mit Kettlebell angefangen und will die bunten Kugeln nun in Deutschland etablieren. Der Hamburger Gewichtheber-Verband hat sie in seine Satzung aufgenommen, im November veranstaltet er die WM in der Sporthalle Wandsbek.

Auf Videos im Internet kann man Martin sehen, wie er mit zwei 32-Kilogramm-Kugeln jongliert wie mit Gummibällen. Er hat Josephine Pora verboten, ihm das nachzumachen. Mal sehen, wie lange sie sich daran hält.