Der Verein greift bei der Pokalendrunde nach dem Titel. Er wäre die Krönung für 25 seriöse Jahre Bundesliga

Buxtehude. Ob er es an diesem Freitagabend noch rechtzeitig zum Empfang nach Leipzig schafft, kann Peter Prior nicht garantieren. Er wird erst am Nachmittag aufbrechen, weil er auf einige A-Jugend-Spielerinnen warten muss, die an dem Tag noch zur Schule müssen. Ein langer Abend soll es ohnehin nicht werden für den Buxtehuder SV. Die Nachwuchshandballerinnen stehen am Sonnabend bereits um 12.30 Uhr im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft gegen Leverkusen auf der Platte, um 14.30 Uhr trifft dann das Bundesligateam im Pokalhalbfinale auf den Gastgeber HC Leipzig.

Zum fünften Mal hintereinander ist der BSV beim Final Four vertreten, zum großen Wurf hat es bislang nicht gereicht. Der erste nationale Titel der Vereinsgeschichte – das wäre doch nicht nur das perfekte Geschenk zu Priors 57. Geburtstag am Sonnabend. „Es wäre auch die Krönung nach 25 Jahren Bundesliga“, sagt der Manager. Aber man dürfe nicht vermessen sein: „Realistisch betrachtet sind wir Außenseiter.“

Es fällt in Buxtehude zunehmend schwer, sich auf diese Position zurückzuziehen. Man hat sich nach den Erfolgen der vergangenen Jahre daran gewöhnt, dass der BSV zu den Spitzenteams gezählt wird. Für diese Saison aber lässt Prior das nicht gelten. Man stecke mitten im Umbruch. Sechs Leistungsträgerinnen der Vorsaison wurden verabschiedet, dazu fielen die Nationalspielerinnen Isabell Klein (Schwangerschaft) und Lone Fischer (Kreuzbandriss) aus. Dass man trotzdem in der Bundesliga-Meisterrunde um den dritten Platz spiele und nun sogar um den Pokalsieg, sei beileibe nicht selbstverständlich.

Prior hat auch andere Zeiten erlebt in Buxtehude. Als er 1976, damals noch als Schüler, die Abteilungsleitung übernahm, spielten die BSV-Frauen noch in der sechstklassigen dritten Hamburg-Liga. Inzwischen können sie auf eine Bundesliga-Bilanz zurückblicken, die sportlich nur von Leverkusen und Leipzig übertroffen wird. Dazu kamen zwei Europapokalsiege, 1994 und 2010.

Der gelernte Journalist Prior hat alles in einem 64-seitigen Jubiläumssonderheft zusammengefasst, das in dieser Woche an 50.000 Haushalte in und um die Hansestadt Buxtehude verteilt wird, wie sie sich vom kommenden Montag an offiziell nennen darf. Ohne den Erlös aus den Anzeigen wäre es vermutlich noch schwieriger, das sportliche Niveau zu halten. Die vergangenen Jahre hätten immer wieder Löcher in den Etat der Spielbetriebsgesellschaft gerissen, die von den 16 Gesellschaftern gestopft werden mussten. Und Prior musste erkennen, dass sich sportlicher Erfolg nicht unbedingt auszahlt.

2011 und 2012 verpasste die Mannschaft die Meisterschaft nur um jeweils ein Tor. Der nachhaltige Aufschwung war ein Ergebnis der Professionalisierung, die mit dem Amtsantritt von Trainer Dirk Leun 2008 eingeleitet wurde. Die zusätzlichen Trainingseinheiten wurden aber durch Gehaltserhöhungen erkauft, weil die Spielerinnen bei ihren Nebenberufen Abstriche machen mussten. Besonders teuer kamen die beiden Champions-League-Teilnahmen zu stehen, für die der BSV in Hamburger Hallen ausweichen musste. Erfolgsprämien? Fernsehgelder? Sponsoring-Boom? Nicht im Frauenhandball.

Mit der Arena Buxtehude wären vielleicht größere Sprünge möglich. Eineinhalb Jahre hat Prior seinen Nebenberuf als Medienberater in Osteuropa ruhen lassen, um das Projekt voranzutreiben. Doch der Plan, den Bau mithilfe vieler Bürger über eine Stiftung zu finanzieren, scheiterte. Ganz mag Prior seinen Traum von einer Multifunktionshalle aber nicht aufgeben: „Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich die Arena immer noch vor mir.“

Luftschlösser aber werden sie nicht bauen in Buxtehude. Man hat ja aus sicherer Distanz beobachten können, was passieren kann. Lützellinden, Nürnberg und Bremen, die den Handball in Deutschland über Jahre dominiert haben, endeten in der Insolvenz. Buxtehude spielt immer noch erstklassig mit. Nur Leverkusen kann auf eine längere Bundesligatradition verweisen als das kleine gallische Handballdorf vor den Toren Hamburgs.

Um die Jahrtausendwende geriet auch der BSV ins Schlingern: „Es gab große finanzielle Probleme, und der Amateurbereich lag am Boden“, erinnert sich Prior. Als er 1999 vom Handball-Obmann zum Geschäftsführer befördert wurde, verordnete er dem Verein einen Sanierungskurs und baute die Nachwuchsarbeit wieder auf. Statt einstmals drei gibt es heute 20 Jugendmannschaften. Das wussten auch die vielen kleinen Sponsoren zu schätzen. Einige halten dem BSV schon seit dem Aufstieg die Treue. „Sie wollen keine Retortenmannschaft, sondern einen gelebten Verein“, sagt Prior.

Viele der Jugendteams werden von ehemaligen Profis trainiert. Spielerinnen über die aktive Karriere hinaus an den Verein und die Stadt zu binden, auch das macht den Buxtehuder Erfolg aus. Natascha Kotenko, die acht Jahre lang aus dem Rückraum für Tore sorgte, trainiert zwei Jugendmannschaften. Heike Axmann und Kathrin Kock, die 1990 zusammen aus Rostock nach Buxtehude wechselten, sind ebenfalls in der Nachwuchsarbeit eingebunden. Priors Frau Sonja, 1987 eine Heldin des Aufstiegs in die Zweite Liga, betreut die Kleinsten im Verein.

Natürlich haben auch alle vier Kinder der Priors beim BSV Handballkarriere gemacht. Paula, 17, kämpft am Wochenende mit der A-Jugend um den Titel. Lisa, 23, will künftig beim Buxtehuder Kooperationspartner Rosengarten Spielpraxis in der Zweiten Liga sammeln. Auch die Töchter der BSV-Legenden Andrea Bölk, Anja Scheruhn und Axmann spielen erfolgreich im BSV-Nachwuchs. Die Buxtehuder Erfolgsgeschichte geht offenbar in die nächste Generation.