Rostock. Wer das Dilemma verstehen wollte, in dem sich Jack Culcay verfangen hat, der musste in der Nacht zum Sonntag in der Rostocker Stadthalle in seiner Ringecke lauschen. Sein Vater Roberto redete in seiner spanischen Muttersprache auf den Hamburger Halbmittelgewichtsboxer ein. Sein Interimstrainer Artur Grigorian benutzte das ihm eigene deutsch-usbekisch-armenische Sprachgemisch, und Moritz Klatten (Athletikcoach und Manager) gab Anweisungen auf Deutsch. War es da ein Wunder, dass der 28-Jährige bei der Verteidigung seines WBA-Interkontinentaltitels gegen Afrikameister Salim Larbi aus Algerien keine Linie in seine Aktionen bringen konnte?

Nein, am Punktsieg, den die Punktrichter nach zwölf Runden mit 117:111 errechnet hatten, gab es nichts zu deuteln; in den Runden vier, acht und elf wies Culcay seine Extraklasse mit schönen Kombinationen nach. Wohl aber musste sich der Amateurweltmeister von 2009 erneut die Kritik gefallen lassen, dass er sich von Gegnern der Mittelklasse so einfach treffen lässt.

Culcay wirkt wie blockiert, so als hätte man ihn zermürbt durch die ständigen Trainerwechsel. Jeder Coach, und Grigorian ist bereits Nummer sechs im fünften Profijahr, hatte seine eigene Vorstellung davon, wie der gebürtige Ecuadorianer zu kämpfen hätte. Herausgekommen ist ein Sportler, der auf der Suche nach seiner Identität vor allem seine Frechheit, seinen Hang zu spontanen und überraschenden Aktionen, verloren zu haben scheint. „Es gibt noch viel Arbeit, bis wir einen EM-Kampf anstreben können“, sagte Promoter Kalle Sauerland. „Langsam kommt die alte Lockerheit zurück, ich bin zufrieden“, sagte dagegen Culcay. Sein Plus ist, dass ihm das grüblerische Element fehlt, das ihn nun in eine mentale Krise stürzen könnte. Aber die Emotionslosigkeit, die in dieser Einstellung steckt, ist derzeit auch auf sportlicher Ebene zu betrachten. Abhilfe soll nun Trainer Nummer sieben schaffen. Joey Gamache (in Rostock bereits Cutman) wird in Zukunft die taktische Vorbereitung übernehmen, Grigorian soll weiterhin in der täglichen Trainingsarbeit assistieren.

Eine erfolgreiche erste Verteidigung seines WBA-WM-Titels im Halbschwergewicht feierte Jürgen Brähmer. Der 35 Jahre alte Schweriner besiegte Enzo Maccarinelli, 33, vorzeitig. Der Italo-Waliser hatte in der ersten Runde bei einem linken Cross Brähmers eine Blessur am rechten Auge erlitten, die ihm die Sehkraft nahm. Deshalb gab seine Ecke den Kampf in der Pause zu Runde sechs auf.