Mithilfe des dreifachen Weltmeisters Oliver Ortmann will der Hamburger BC Queue in die nationale Poolbillard-Elite zurückkehren. Sein Zugang ist ein unglaublicher Gewinn für den Verein.

Hamburg. Oliver Ortmann hat sich gerade warmgeredet, er schwärmt von den Besonderheiten seines Sports, vom Zusammenspiel von Feingefühl und Gelassenheit, gutem Auge, physikalischem Verständnis und mentaler Stärke, als ihm ein Vereinskollege auf die Schulter tippt. „Guck mal hinter dich“, sagt er. Ortmann wendet den Kopf in Richtung der Wand, an der auf einem großen Flachbildschirm der Spartensender Sport1 gerade Billard sendet, und sieht – sich selbst. „Das hast du ja toll arrangiert“, sagt der Clubkamerad und lacht. Ortmann lächelt.

Natürlich hat er nichts arrangiert, das hat einer wie er nicht nötig. Dreimal war der 46-Jährige Weltmeister im Poolbillard, 1995 in der Disziplin 9-Ball, 2007 und 2010 im 14 und 1 endlos; dass man ihm auf einem Sportkanal bei der Arbeit zuschauen kann, ist für ihn nichts Besonderes. Für seinen Verein aber ist Oliver Ortmann sehr wohl ein Glücksfall, und wer ihm eine Weile lang zuhört, der erfasst schnell diese besondere Energie, die er ausstrahlt, und die dem BC Queue zu einer Aufbruchstimmung verholfen hat, die an diesem Wochenende dabei helfen soll, das große Ziel zu erreichen: den Aufstieg in die Poolbillard-Bundesliga. Ein Sieg am Sonnabend (14 Uhr) gegen BC Colours Düsseldorf vorausgesetzt, könnte man am Sonntag (11 Uhr) Tabellenführer PBC Schwerte im direkten Duell stürzen und die Spitze der Zweiten Bundesliga Nord übernehmen. Bei dann noch zwei ausstehenden Partien gegen Teams aus dem Tabellenkeller wäre der Aufstieg so gut wie sicher.

Oliver Ortmann sitzt im Gastronomiebereich des Break Point, einem Billardsalon am Bramfelder Dorfplatz, in dem der BC Queue seine Heimspiele austrägt. Von außen wirkt das Lokal unscheinbar, im Inneren laden 15 hochmoderne Tische in rauchfreier Atmosphäre zum Billardspielen ein, und für einen Montagabend sind sie erstaunlich gut frequentiert. Dass Ortmanns Anwesenheit auch ein Grund dafür ist, würde er selbst nie behaupten, sein Teamkollege Torsten Bonke, mehrfacher norddeutscher Meister und seit 22 Jahren im Club, tut es umso lieber. „Natürlich ist der Zugang eines mehrfachen Weltmeisters ein unglaublicher Gewinn für unseren Verein“, sagt der 45-Jährige.

Ortmann, der in Gelsenkirchen geboren wurde und noch immer mit unverkennbarem Ruhrpott-Idiom spricht, lebt seit 2003 in Hamburg, leitet hier einen Onlinevertrieb für Billardzubehör (ortmann-billiards.com). Als einer von zwei Poolspielern in Deutschland betreibt er seinen Sport als Profi, spielte jahrelang neben internationalen Turnieren auch für Bundesligaclubs in ganz Deutschland. Vor der Saison 2012/13 einigte er sich jedoch mit dem BC Queue auf eine Zusammenarbeit. Seine Bedingung war, dass der Traditionsverein, der 2010 als größten Erfolg mit der Mannschaft den Pokalsieg feiern konnte, ein neues Konzept umsetzt, in dem er selbst eine wichtige Rolle einnimmt.

Ortmanns Vision ist es, dem Poolbillard in Hamburg eine neue Nachwuchsbasis zu schaffen und den Sport zu professionalisieren. „Natürlich träume ich davon, mit dem BC Queue deutscher Meister zu werden“, sagt er, „doch zunächst wollen wir in die Bundesliga aufsteigen.“ Der 15-fache Europameister, den sie ehrfürchtig „The Machine“ nennen, agiert nicht nur als Topspieler der fünf Akteure umfassenden Zweitligamannschaft, er bietet auch mindestens zweimal im Monat Trainingseinheiten für interessierte Clubmitglieder an. „Ich spiele nicht mehr so viele Turniere wie früher. Mir macht es viel mehr Spaß, mein Wissen an Jugendliche weiterzugeben und sie auf den richtigen Weg zu führen“, sagt er. Der Drang des Vereins, vorankommen zu wollen, habe ihn beeindruckt. „Deshalb habe ich mich darauf eingelassen“, sagt er.

Die ersten Früchte der Arbeit sind längst gereift. Vor Ortmanns Zugang hatte der BC Queue, derzeit einziger Hamburger Zweitligist, gerade 25 Mitglieder, aktuell sind es gut 50, Tendenz steigend. Fünf Leistungsmannschaften im neun Spielklassen umfassenden Ligenbetrieb kann man mittlerweile stellen, eine sechste soll zur kommenden Saison dazukommen. Gerade für Jugendliche, die den Sport nicht als reines Hobby betrachten, sind Vorbilder wie Ortmann oder der frühere Junioren-Vizeweltmeister Alexander Dremsizis, 36, der ebenfalls als Trainer und Zweitligaspieler agiert, Gold wert. „Der Anreiz, mit solchen Leuten spielen zu können, ist riesig“, sagt Nachwuchshoffnung Mario Stahl, 21, der zu dieser Saison aus Bergedorf nach Bramfeld kam und den Sprung ins Zweitligateam schaffte.

Eins eint alle Vereinsmitglieder beim BC Queue: Sie wollen, dass Poolbillard das verheerende Image des Kneipenspiels ablegt und als ernsthafter Leistungssport wahrgenommen wird. Als ein Sport, in dem auf allen Ebenen hart trainiert wird und in dem es trotz der Individualität auch auf den Teamgedanken ankommt. Mit einem Imageträger wie Oliver Ortmann könnte das gelingen.