Imke Wedekind, Spielführerin des Volleyballteams Aurubis, erklärt, wie es ist, eine ganze Saison lang nur zu verlieren

Hamburg. Am Mittwochabend findet mit dem Heimspiel gegen Allianz Stuttgart (19.30 Uhr/CU-Arena) für die Bundesligafrauen des Volleyballteams Aurubis eine Saison ihr Ende, die sich schlimmer niemand hätte ausmalen können. Als siegloser Tabellenletzter steigt das Team von Cheftrainer Helmut von Soosten nur deshalb nicht ab, weil aus der Zweiten Liga maximal ein Club aufsteigen will. Spielführerin Imke Wedekind, 29, hofft nun, dass man sich wenigstens mit dem ersten Saisonsieg von den Fans verabschieden kann.

Hamburger Abendblatt:

Frau Wedekind, was überwiegt vor dem Saisonausklang: Erleichterung, dass es vorbei ist? Oder Enttäuschung oder gar Scham angesichts der gezeigten Leistungen?

Imke Wedekind:

Ganz klar die Enttäuschung. Ich habe mir nie vorstellen können, dass man eine ganze Saison nur verlieren kann. Scham verspüre ich nicht, wir haben zwar schlecht gespielt, aber trotzdem meistens alles versucht.

Ist es nicht unglaublich hart, dann zugeben zu müssen, dass die Qualität nicht ausgereicht hat, wenn man alles versucht und trotzdem nur verliert?

Wedekind:

Ich finde das natürlich nicht schön. Aber es stimmt leider, dass wir erst jetzt auf dem Trainingsniveau angekommen sind, das wir zum Saisonbeginn hätten haben müssen.

Vor der Saison hieß es, das Team sei stark genug, um den sechsten Platz mitzuspielen und mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Wie kann man sich so täuschen?

Wedekind:

Das frage ich mich auch, und ich verstehe es nicht. Es war klar, dass diese Mannschaft mehr Zeit brauchen würde, als uns zugestanden wurde. Es dauert eben, bis man aus neun neuen und drei alten Spielerinnen ein Team gemacht hat. Aber dass wir kein Spiel gewinnen würden, das hätte ich nie geglaubt. Es gab ja einige Spiele, die eng waren, und ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass wir es drehen könnten. Aber spätestens nach der Heimniederlage gegen unseren ärgsten Konkurrenten Köpenick war klar, dass es nicht reicht.

Was macht es mit einem, wenn man immer nur verliert?

Wedekind:

Es prägt den gesamten Alltag. Ich war für Freunde und Familie sicherlich schwer zu ertragen. Ich habe meine Freizeitaktivitäten quasi auf null heruntergefahren und versucht, mich immer noch ein bisschen mehr auf den Sport zu fokussieren, damit ich mir nicht vorwerfen konnte, nicht alles gegeben zu haben. Umso deprimierender ist es, wenn das auch nichts bringt und man eher noch mehr verkrampft.

Wer half Ihnen, damit umzugehen?

Wedekind:

Meine Familie und mein Freund. Ich hatte das Glück, dass meine Lieben in meiner Nähe sind. Für unsere ausländischen Spielerinnen war es sicherlich noch härter, wenn da niemand war, der einen mal in den Arm nimmt.

Sie als Kapitän des Teams hätten die Kolleginnen auffangen müssen, Sie hatten aber mit sich selbst genug zu tun. Hatten Sie manchmal das Gefühl, dass Ihnen die Situation entgleitet?

Wedekind:

Es ist mir durchaus schwergefallen, das Amt ordentlich auszufüllen. Zum Glück kenne ich den Verein seit neun Jahren, habe genug Erfahrung. Aber andere aufzubauen, wenn man selbst am Boden ist, das ist wirklich keine schöne Aufgabe. Die Mädels haben aber versucht, es mir so leicht wie möglich zu machen.

Es hieß eher, das Team sei zerstritten und ziehe nicht an einem Strang.

Wedekind:

Das Team war nicht zerstrittener oder geschlossener als andere Mannschaften, in denen ich gespielt habe. Ich finde, dass wir angesichts der ständigen Tiefschläge ganz gut zusammengehalten haben. Dass Konflikte im Misserfolg deutlicher zutage treten, ist normal. Dass es punktuell auch öffentliche Schuldzuweisungen gab, war nicht schön, das haben wir intern geklärt.

Als das Team merkte, dass es nicht reicht, obwohl man alles gibt: Wann war der Zeitpunkt, an dem alle resignierten?

Wedekind:

Ich finde, dass wir uns zu keinem Zeitpunkt richtig haben hängen lassen. Natürlich habe auch ich mich nach einigen Spielen gefragt, wozu ich mir das antue. Aber das war meist schon im nächsten Training vergessen. Dennoch glaube ich, dass die mentale Blockade im Kopf schon nach dem dritten Saisonspiel auftrat, als wir 0:3 in Köpenick verloren haben. Davon haben wir uns nicht mehr erholt, und es fällt uns ja sogar jetzt noch schwer, befreit aufzuspielen, obwohl wir schon lange nichts mehr zu verlieren haben.

Warum konnte der Trainer diese Blockade nicht lösen? Und hätte ein Trainerwechsel geholfen?

Wedekind:

Es ist immer einfach, die Schuld bei anderen zu suchen. Ich gucke lieber, was ich besser machen kann.

Sie werden die Chance dazu nicht bekommen. Man hört, dass Sie am Mittwoch Abschied vom Volleyball nehmen.

Wedekind:

Ja, für mich ist Schluss. Ich werde 30 Jahre alt und muss mich um meine berufliche Zukunft kümmern. Aber dieser Entschluss stand eigentlich schon vor der Saison fest.

Was macht Hoffnung, dass die kommende Saison besser werden kann?

Wedekind:

Ich glaube, dass die Saison auch besser laufen würde, wenn wir mit dem aktuellen Team antreten würden. Schlechter geht es ja auch nicht. Ich weiß zwar nicht, wie das neue Team aussehen wird. Aber dadurch, dass die Saison so früh beendet ist, hat man genug Zeit für den Neuaufbau. Und die Voraussetzungen, um Erfolg zu haben, sind in Hamburg alle gegeben.