Die deutschen Skispringer werden Olympiasieger im Teamwettbewerb und sorgen für einen versöhnlichen Abschluss

Sotschi. Als der Traum vom olympischen Gold wahr geworden war, gab es vor allem für Severin Freund kein Halten mehr. Beinahe ängstlich hatte der Schlussspringer der deutschen Adler auf die Anzeigetafel geblickt, aus Sekunden schien eine Ewigkeit zu werden, doch dann war die Gewissheit da: Diesmal hatten seine Nerven gehalten. Deutschland war Erster, Olympiasieger im Teamspringen. „Keine Sorge, wir haben noch genug Kraft zum Feiern“, versicherte Freund gleich danach mit einem breiten Grinsen.

„Ich bin stolz auf das ganze Team. Wir haben viele Durststrecken zusammen gemeistert. Heute ist das Team belohnt worden“, sagte der sichtbar erleichterte Bundestrainer Werner Schuster, der aus dem siegreichen Quartett seinen Schlussspringer Freund hervorhob: „Severins Sprung war nicht perfekt, aber er hat es gut durchgebracht. Das kann ein Meilenstein in seiner Karriere sein.“

Freund warf vor Begeisterung seine Skier weg, schrie seine Freude in den Himmel über dem Kaukasus und wurde von seinen jubelnden Kollegen Andreas Wellinger, Marinus Kraus und Andreas Wank in den Schnee gedrückt. „Das war eine grandiose Mannschaftsleistung“, betonte Freund. „Das war ein geiler Wettkampf. Wir waren vorne und haben gezittert. Es ist unbeschreiblich“, ergänzte Wellinger.

Zu viert hatten sie sich bei den Winterspielen in Sotschi vor den höher eingeschätzten Österreichern und Japanern durchgesetzt. Nach 1994 und 2002 ging damit zum dritten Mal Gold an ein DSV-Quartett. 2,7 Punkte oder umgerechnet 1,5 Meter nach acht Sprüngen betrug der Vorsprung vor Österreich, das erstmals seit dem Sieg bei der WM 2005 ein großes Teamspringen verlor.

Deutschland ist nun als erste Nation dreimal Teamolympiasieger. Dieter Thoma, der 1994 in Lillehammer gemeinsam mit Jens Weißflog, Christof Duffner und Hansjörg Jäkle das erste Teamgold für Deutschland ersprungen hatte, war beeindruckt. „Das tut echt gut“, sagte er als ARD-Experte.

Freund, der im Einzel zweimal am Podest vorbeigeflogen war, machte mit einem starken letzten Sprung den goldenen Coup im direkten Duell mit Österreichs Gregor Schlierenzauer perfekt. Das reichte zu insgesamt 1041,1 Punkten für die Mannschaft von Schuster, die zuvor zweimal bei Olympia erfolgreichen Austria-Adler (1038,4) lagen deutlich vor Japan (1024,9).

In den kaukasischen Bergen entwickelte sich von Beginn an ein Skisprungkrimi. Nach einem mäßigen Auftakt von Wank lag das deutsche Team nur auf dem siebten Rang, der überragende Youngster Kraus sorgte aber mit einem Traumflug auf 136,5 Meter für einen Sprung auf den zweiten Platz. Wellinger hielt die Position, ehe Freund zur Halbzeit sogar die Führung eroberte.

Im zweiten Durchgang verlor der für Richard Freitag ins Team gerückte Wank zunächst den ersten Platz an Österreich, insgesamt hielt der vermeintliche Wackelkandidat dem Druck aber stand. Wellinger brachte dem deutschen Team vor dem letzten Durchgang einen Vorsprung von 3,4 Punkten auf Österreich, den Freund erfolgreich verteidigte.

Die zuletzt bei der WM 2003 unterlegenen Österreicher mussten sich mit den Stars Schlierenzauer, Thomas Morgenstern, Thomas Diethart und Michael Hayböck geschlagen geben. Der vor fünf Wochen noch schwer gestürzte Morgenstern verpasste dabei außerdem seinen vierten Olympiasieg, mit dem er zu den Rekordhaltern Matti Nykänen (Finnland) und Simon Ammann (Schweiz) aufgeschlossen hätte.

Mitfavorit Polen schaffte es auch mit Doppelolympiasieger Kamil Stoch an der Spitze nur auf Rang vier. Überflieger Stoch verpasste damit den möglichen Hattrick mit drei Triumphen innerhalb einer Woche, wie er 1988 in Calgary dem Finnen Nykänen gelungen war. Auch unter Adam Malysz war die Skisprungnation Polen immer leer ausgegangen.

Richard Freitag hatte am Sonntagabend das interne Ausscheidungsspringen gegen Wank und Wellinger verloren. Schon in den Einzeln der für ihn enttäuschenden Winterspiele war er nicht über die mageren Plätze 20 und 21 hinausgekommen. Freund betonte nach dem Sieg allerdings: „Man darf auch den Richi Freitag nicht vergessen.“

Trotz der verpassten Medaillen in den Einzelwettbewerben sind die Aussichten für das deutsche Skispringen durchaus rosig. Freund, 25, Wellinger, 18, Kraus, 23, Freitag, 22, und Wank, 26, sind noch jung, alle fünf könnten auch 2018 bei den Winterspielen im koreanischen Pyeongchang mit deutlich mehr Erfahrung an den Start gehen. Ob der Bundestrainer dann noch Werner Schuster heißt, bleibt abzuwarten. 2015 steht in Falun (Schweden) die WM auf dem Programm, bis dahin läuft der Vertrag des Österreichers. Mit dem Olympiasieg dürfte er seine Verhandlungsposition verbessert haben.