Olympia-Tagebuch: Das besondere Flair im olympischen Dorf

Sotschi. Auch am Sonntag war Azad wieder in der Curlinghalle. Der 24 Jahre alte Anglistik- und Germanistikstudent aus Ufa feuerte „seine“ Mannschaft aus Hamburg im vorletzten Turnierspiel gegen Dänemark an. Vergeblich, es gab eine 3:6-Niederlage, die Hoffnung auf den zweiten Sieg erfüllte sich nicht. Am Sonnabend hatten die Hamburger 4:8 gegen Weltmeister Schweden verloren. „Da hat uns ein taktischer Fehler den Sieg gekostet“, analysierte Sven Goldemann. „Insgesamt können wir aber ganz zufrieden sein.“

Azad ist der persönliche Betreuer für das deutsche Curlingteam. Er steht „Gewehr bei Fuß“, wenn sie Wünsche haben. „Er ist ein Volontär, der nur für uns abgestellt ist“, erzählt Christopher Bartsch: „Er hat uns Donnerstag mit dem Bus in die Berge gefahren, wir können ihn jederzeit auf dem Handy anrufen, wenn wir was brauchen. Er würde das dann erledigen.“ Aber gibt es nicht den Verdacht, dass da einer aufpassen soll? „Nein, den Eindruck habe ich nicht“, meint Bartsch, „dafür wirkt er mir auch ein wenig zu naiv. Und wenn wir ihn nicht brauchen, dann sehen wir ihn auch gar nicht.“

Für die Hamburger Curling-Amateure ist der sportliche Teil ihres Olympiaabenteuers an diesem Montag nach dem Spiel gegen Russland (11 Uhr) beendet. Unabhängig von der sportlichen Herausforderung bleiben ihnen die einmaligen Eindrücke vom olympischen Dorf, vom Treffen mit Athleten aus aller Welt, von der ganz besonderen Atmosphäre, die Olympia ausmacht. Man trifft sich in der Mensa, in der es neben Spezialitäten aus aller Welt, von Couscous über Pasta bis zum Borschtsch, auch einen McDonald’s gibt. Auch Hamburgs Curler haben schon Hühnchenteile aus der Schachtel gegessen. Bartsch genießt dort sein Beerenjoghurt: „Das ist in der Konsistenz unserem Joghurt ähnlicher als der vom Frühstücksbüfett.“

Überall im olympischen Dorf hängen die Fahnen der einzelnen Nationen aus den Fenstern. Nur die „Stars and Stripes“ sind nirgends zu sehen. „Wir haben gehört, das habe die US-Delegationsleitung aus Angst vor Anschlägen so angewiesen. Damit niemand weiß, wo die Amerikaner wohnen“, erzählt Bartsch: „Jetzt ist es aber so, dass man ganz genau weiß, dass die Amerikaner in dem einzigen Haus sind, wo keine Fahnen in den Fenstern hängen.“

Beim Betreten des Olympiageländes wird jeder wie auf einem Flughafen mit Metalldetektoren durchsucht, Taschen verschwinden in einer Röhre. Beim Eintritt ins olympische Dorf aber gibt es noch eine Besonderheit, sagt Christopher Bartsch: „Sie schauen bei allen Flaschen nach, ob Alkohol darin ist. Der ist verboten. Es soll sich niemand im Dorf betrinken.“

Der Kontakt zu anderen deutschen Sportlern war bislang nur oberflächlich. Die Curler standen halt mit Ausnahme vom Donnerstag täglich auf dem Eis. Bei ihrem Ausflug in die Berge allerdings lernten sie die beiden Skicrosser Andreas Schauer und Thomas Fischer kennen, die dort oben Ski liefen. „Ohne die Teambekleidung würde man sich natürlich nie erkennen“, sagt Bartsch. „Aber dadurch, dass wir erkennbar zum gleichen Team gehören, entstand da gleich ein Wir-Gefühl. Das wäre nie so ohne die Olympischen Spiele.“