Vorsprung durch Technik, weniger Konkurrenz und eine gute berufliche Absicherung machen das deutsche Team in Sotschi stark

Hamburg. Im Bob- und Rodelzentrum Sanki, der Kunsteisbahn in Krasnaja Poljana, 60 Kilometer nordöstlich von Sotschi, ist die deutsche Nationalhymne bislang der Hit. Viermal wurde sie nach den Rodelwettbewerben gespielt, Gold ging bei Männern, Frauen, im Doppelsitzer und in der Staffel nur an Deutschland. Das konnte nicht überraschen. Bei Olympischen Winterspielen haben die deutschen Rodler seit 1964 in Innsbruck rund 60 Prozent der Medaillen gewonnen. In keiner anderen olympischen Sportart herrscht eine ähnliche Dominanz eines Landes.

Der Erfolg ist schnell erklärt. Die weltweite Konkurrenz ist überschaubar, in Sotschi nahmen gerade Rodler aus 22 Nationen an den olympischen Rennen teil. Und Deutschland ist das einzige Land, das in Altenberg (Erzgebirge), Oberhof (Thüringen), Winterberg (Sauerland) und Königssee (Bayern) gleich vier Kunsteisbahnen für Rodeln, Skeleton und Bob gebaut hat. Hinzu kommen die Erfindungen des ehemaligen DDR-Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin-Schöneweide. 70 Mitarbeiter, Ingenieure und Fachkräfte, tüfteln neue Techniken und bessere Materialien aus – für Bobs, Schlitten, Kufen für Eisschnellläufer, Bindungssysteme für Skispringer. Insgesamt entwickeln sie Sportgeräte in 13 Sportarten. Ruderboote und Kanus gehören dazu. Der Jahresetat beträgt 6,2 Millionen Euro.

Dass dagegen die deutschen Bobs nicht mehr uneinholbar vorneweg fahren, liegt an dem gestiegenen finanziellen Einsatz der Konkurrenz. Der deutsche Autobauer BMW stattet inzwischen die US-Bobs aus, die Italiener sind mit Ferrari unterwegs, die Engländer setzen auf die Formel-1-Erfahrungen von McLaren. „Unser technisches Monopol der vergangenen Jahre ist aufgebraucht“, ahnt der zweimalige Olympiasieger und heutige Bundestrainer Christoph Langen, 51. Dennoch gehören die Deutschen auch in Sotschi zu den Medaillenkandidaten – wie in vielen anderen Disziplinen auch. Die meisten Wintersportler sind Weltspitze, anders als ihre Kollegen im Sommer.

Während die deutsche Olympiamannschaft im August 2012 in London auf Platz sechs des Medaillenspiegels landete, kämpft sie in Sotschi wieder um Platz eins. Das hat Tradition. 2006 in Turin führten die Deutschen diese inoffizielle Nationenwertung an, 2010 belegten sie in Vancouver hinter Gastgeber Kanada Rang zwei vor den USA.

In Vancouver holten 26 Länder Medaillen, in London 85. Wintersport wird nur in Teilen der Welt betrieben, in Europa, Ostasien und Nordamerika, Sommersport überall. Kleinere Sportnationen sind dazu übergegangen, Spezialisten auszubilden. Die Karibikstaaten setzen in der Leichtathletik auf den Sprint, die Ostafrikaner auf den Langstreckenlauf. Die Deutschen versuchen überall mitzuhalten. Das gelingt immer seltener, vor allem nicht in den Teamsportarten außerhalb des Fußballs.

Auch die bessere berufliche Absicherung mag eine Rolle spielen. 73 Prozent der 153 deutschen Wintersportler in Sotschi sind bei Bundeswehr (67 Athleten), (Bundes-)Polizei (30) und Zoll (15) angestellt, können deshalb wie Profis trainieren. Sommersportler wie die Hamburger Schwimmer Steffen und Markus Deibler müssen wiederum sehr oft Berufsausbildung und Training in ihren Alltag integrieren.