Olympia-Tagebuch: Das Hamburger Curlingteam unterliegt in seinem Auftaktmatch bei den Spielen in Sotschi Topfavorit Kanada 8:11 und ärgert sich über kleine Fehler

Sotschi. Als am Montagnachmittag die Frauen und Kinder zu Besuch ins olympische Dorf kamen – mit Tagespässen ist das möglich – da war die Enttäuschung über die 8:11-Auftaktniederlage gegen Kanada im olympischen Curlingturnier beim Hamburger Team schon wieder etwas gemildert. Denn das war ja das Überraschende: „Wir hätten sogar gewinnen können“, sagte Christopher Bartsch.

Die sportliche Sensation gegen die Vollprofis aus Übersee gelang dann doch nicht, nur ein, zwei Zentimeter mehr Rotation fehlten dafür bei den letzten Steinen von Skip John Jahr und Schlussspieler Felix Schulze, dennoch waren sie sich einig: „Wir sind mit einem guten Gefühl und guter Stimmung aus dem Spiel gegangen.“

Um 6 Uhr in der Früh klingelte bereits der Wecker in den drei Appartements der Hamburger im „Deutschen Haus“, der Athletenunterkunft unten am Schwarzen Meer. Mit dem Fahrrad sind sie dann zum Frühstück zur Mensa gefahren, das dauert nur fünf Minuten. Um 8 Uhr waren sie in der Arena, eine Stunde vor Spielbeginn. Anschwitzen und Gymnastik gehören zur Routine vor den Spielen, Getränke werden gemixt. Dann geht es aufs Eis zum Warmtrainieren. Im Ice Cube wartete dann eine große Überraschung. „Es war wahnsinnig voll, bestimmt über 2000 Zuschauer, das hatten wir nicht erwartet“, sagte Bartsch, „es war irre laut, eine ganz tolle Atmosphäre. Auch wenn das russische Publikum nicht mit Fachkenntnis geglänzt hat.“

Der Spaß steigerte sich noch, als die Hamburger Amateure nach drei Ends mit 4:2 in Führung lagen. Die Kanadier standen unter Druck, machten auch Fehler. Ermöglichten den Deutschen sogar, im vorletzten Durchgang noch einmal auf 8:9 heranzukommen. „Die Kanadier hatten nie eine Chance, sich abzusetzen“, sagte Schulze, und Skip John Jahr meinte: „Ich glaube, sie haben uns unterschätzt. Ich meine, hey, wir kommen aus Deutschland.“ Insgesamt gelangen den Deutschen zwei Steals; sie punkteten, obwohl ihre Gegner das Recht des letzten Steins hatten. „Wir waren gut im Spiel, und ein Erfolg wäre eine Sensation gewesen“, fand Sportdirektor Rainer Nittel vom Deutschen Curling-Verband. Bartsch ärgerte sich sogar ein wenig über die Aussage von Kanadas Skip Brad Jacobs, die Deutschen hätten super gespielt: „Der soll mal nicht so tun, als sei dies unser bestes Spiel gewesen.“

Nein, eine Steigerung ist noch drin. Dafür trainierten sie am Abend noch einmal, Peter Rickmers testete erneut die Steine und das Eis. Die kleinen, ungeplanten Abweichungen von der Ideallinie darf es in Zukunft nicht mehr geben. „Warum mein letzter Stein so wenig gecurlt hat, ist mir ein Rätsel“, sagte Schulze, „wenn wir das noch verbessern, spielen wir hier richtig gut mit.“

Am liebsten schon an diesem Dienstag um 11 Uhr gegen die Schotten. „Das ist auch eine starke Mannschaft, aber wir können uns noch steigern.“ Gegen das Team aus dem Mutterland des Curlings soll Sven Goldemann wieder aufs Eis, nachdem gegen Kanada „Ersatzmann“ Rickmers als „First“ gespielt hat. „Das hatten wir in der Teambesprechung so festgelegt, und es war auch eine gute Entscheidung, Peter hat das super gemacht.“ Außerdem sei immer klar gewesen, dass nicht immer nur die vier Stammspieler zu Steinen und Besen greifen. Für alle soll Sotschi ein Erlebnis sein. „Seit 15 Jahren war unser gemeinsames, oberstes Ziel, einmal bei Olympia zu spielen“, sagt Bartsch.

Nach dem Kanada-Spiel gab es noch eine Nachbesprechung, auch mit Bundestrainer Martin Beiser. Zur Dopingprobe musste noch kein Hamburger. Dann war Zeit für die Familien. „Wir haben ihnen gezeigt, wie wir hier leben, haben zusammen etwas gegessen und mit den Kindern gespielt. Die fanden das toll“, erzählt Christopher Bartsch. Die Familien müssen leider am Mittwoch bereits wieder in der Heimat sein, die Sportler haben sich deshalb für die karge Freizeit schon ein Programm überlegt: „Am Donnerstag wollen wir mal in die Bergregion und diese Skiakrobaten sehen. Und wir möchten auch unbedingt mal zum Eishockey.“

Im eigenen Umkleideraum in der Curling-Arena hängt mittlerweile die Hamburg-Fahne, die eigentlich ihren Platz im olympischen Dorf gefunden hatte. Doch dort gab es ein bisschen Ärger mit den Funktionären des DOSB, die darauf beharrten, dass es sich ja um eine deutsche Olympiamannschaft handelt, nicht um eine Hamburger. Die Sachsen sollten ihre Fahne auch abhängen. Die kleine Irritation ist zwar inzwischen ausgeräumt, aber die Hamburger nahmen dann doch lieber ihre Stadtfahne mit in die Curling-Halle. „Da ist sie auch eine Motivation.“