Sotschi. Mit Tränen in den Augen flüchtete Claudia Pechstein in die Katakomben. Die Eisschnellläuferin wollte nur noch weg und niemanden sprechen, erst in den Armen ihres Freundes Matthias Große beruhigte sie sich – und fand Kraft für ungewohnt selbstkritische Worte. „Ich bin nicht in meinen Rhythmus gekommen. Das ist bitter, aber ich hatte von vornherein gesagt, Platz eins bis sechs ist möglich“, sagte die Eisschnellläuferin am Sonntag nach dem 3000-Meter-Lauf bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi.

Dann versuchte die 41-Jährige in der Adler Arena zu erklären, warum ihre persönliche Revanche für die umstrittene Dopingsperre durch den Eisschnelllaufverband ISU misslang. Seit mehr als vier Jahren hatte sie verbissen gegen das ihr zugefügte „Unrecht“ gekämpft. Dabei war sportlich alles vor allem auf ein Ziel ausgerichtet: die zehnte Olympiamedaille, die ihr bei den Spielen in Vancouver 2010 durch die Sperre verwehrt wurde. „Eine Medaille wäre ein Schlag ins Gesicht der ISU“, hatte sie vorher formuliert.

Am Sonntag jedoch musste sich Pechstein in 4:05,26 Minuten vorerst mit „Blech“ begnügen. „Ich bin nicht zufrieden. Von Anfang an bin ich nicht gut gelaufen“, sagte sie. Vor allem auf den Geraden zeigte sie Schwächen und verlor wertvolle Zeit. Vermutlich hätte dies hinter der überragenden Niederländerin Ireen Wüst, die in Landes- und Bahnrekord von 4:00,34 Minuten Gold holte, und der Tschechin Martina Sablikova (4:01,95) dennoch zu Bronze gereicht. Doch niemand im deutschen Team, auch nicht Pechstein, hatte die Rechnung mit Olga Graf gemacht. Die Russin verblüffte mit 4:03,47 Minuten und entriss Pechstein den dritten Platz. „Olga hat den Lauf ihres Lebens gemacht“, sagte Pechstein und fand eine Erklärung für den starken Auftritt der Lokalmatadorin. „In den Kurven ging es bei mir sehr gut. Aber Olga macht hier zehn Schritte auf einer Geraden, ich kann das nicht so gut“, sagte Pechstein, die mit dem seit Tagen wechselhaften Eis Schwierigkeiten hatte.

Pechstein hatte einen forschen Auftakt hingelegt, der ihr am Ende wohl auch zum Verhängnis wurde. Nach dem Zieldurchlauf fiel die 41-Jährige völlig entkräftet auf eine Bank im Innenraum und rang nach Luft. „Ich habe alles gegeben. Am Ende hatte ich keine Hoffnung mehr, obwohl Ireen und Martina noch nicht gelaufen waren“, sagte sie.

Ihren Fokus richtet Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin nun auf die 5000 Meter am 19. Februar: „Da will ich auch das Rennen meines Lebens versuchen.“ Dass Pechstein dann als erste Athletin bei Winterspielen bei sechs Teilnahmen mindestens eine Medaille gewinnt, ist realistisch. Im ständigen Kampf um die erhoffte Rehabilitation hat sie gelernt, mit Rückschlägen umzugehen.