Der viermalige Weltmeister beendet in Willingen nach 17 Jahren seine Skisprungkarriere

Willingen. Als Martin Schmitt im Februar 1997 in Trondheim mit der deutschen Skisprungmannschaft seine erste Bronzemedaille gewann, war Andreas Wellinger gerade ein Jahr alt. Jetzt überlässt der Mann mit dem lilafarbenen Helm, der den Fernsehsport Skispringen geprägt hat wie kaum ein anderer, die Bühne der nächsten Generation. Weil ihm die Qualifikation für seine fünften Olympischen Spiele nicht mehr gelang, zieht sich einer der wenigen Popstars des Wintersports von den Sprungschanzen zurück. Seinen Abschied zelebrierte der 36-Jährige an der Mühlenkopfschanze in Willingen.

Zu den Klängen von „Time To Say Goodbye“ ließ sich Schmitt am Sonnabend von 17.000 Zuschauern feiern. „Das wird unvergesslich bleiben“, sagte der Neu-Ruheständler, ehe er ein letztes Mal die Arena verließ. Nicht wenige Fans hatten Tränen in den Augen, als sie mit riesigen Buchstaben „Danke Martin“ in die Höhe reckten und den Schwarzwälder auf Spruchbändern („Danke für 17 tolle Jahre“) noch einmal hochleben ließen. „Wahnsinn, was ich hier erleben durfte. Danke für alles“, sagte Schmitt, nachdem er noch einmal viele Hände geschüttelt hatte.

Der Rückblick auf eine Karriere mit vier Weltmeistertiteln, drei olympischen Medaillen und 28 Weltcupsiegen fällt ohne Wehmut aus. „Es gibt mir viel, dass ich die Leute begeistern konnte“, sagte Schmitt. „Es war eine schöne Zeit, in der ich viel Rückhalt bekommen habe. Ohne die Fans, die die Karriere zu etwas Besonderem gemacht haben, hätte es wahrscheinlich nicht halb so viel Spaß gemacht.“

Martin Schmitt hatte bereits im Alter von drei Jahren mit dem alpinen Skisport begonnen. Drei Jahre später kam er durch einen Zufall zum Skispringen. Eigentlich wollte er nur seinen Bruder zu einem Springen auf einer Kinderschanze begleiten. Doch weil ein Teilnehmer kurzfristig absagte, ließ sich Schmitt überreden, selbst einmal zu springen – und wurde Zweiter. Schon 1991, mit 13 Jahren, berief ihn der Skiverband in seinen Nachwuchskader.

Die ganz großen Erfolge feierte Schmitt um die Jahrtausendwende, als Sven Hannawald alle vier Springen der Vierschanzentournee gewann und er selbst Einzelweltmeister wurde. Der Schweizer Olympiasieger Simon Ammann witzelte über die großen Zeiten des Skispringens: „Groupies so weit das Auge reicht. Ich hatte damals auch ein wenig Mitleid mit Martin. Das war sicher auch anstrengend...“

Auch Schmitts Teamkollegen würdigten den Mannschaftssenior: „Er hat unheimlich viel für das deutsche Skispringen getan“, stellte Severin Freund, 25, fest. Richard Freitag, 22, erzählte: „Früher, wenn ich Fernsehen geschaut habe, war es Martin Schmitt, zu dem ich aufgeschaut habe. Er hat es so lange durchgezogen und nichts hergeschenkt. Das ist Wahnsinn.“

Franz Steinle, der Präsident des Deutschen Skiverbandes, mochte die Bedeutung des Altmeisters nicht hoch genug einschätzen, als er ihm das „Sportehrenzeichen in Gold“ aushändigte. „Was Boris Becker für das Tennis war, warst du für das Skispringen“, sagte er. „Deinetwegen brach in Deutschland ein Skisprung-Boom aus. Du hast die Menschen begeistert.“ Auf seinen Wunsch, Schmitt im Skiverband einzubinden, mochte der Umworbene noch keine Antwort geben. Beinahe ebenso wichtig wie der DSV war für Schmitt allerdings sein Sponsor. Wobei sich wohl viele Skisprungfans fragen: Wer war zuerst da, die lila Kuh oder Schmitts lila Helm? Der Schokoladenhersteller wusste seit 1999, was er an Schmitt hatte, und überreichte ihm in Willingen eine übergroße Tafel mit der Aufschrift „Danke, Martin“.

Ein letztes Mal mussten sich die aktuellen Springer mit einem Platz im großen Schatten Schmitts begnügen. Dabei präsentierte sich Severin Freund in Willingen in guter Olympiaform. Mit zwei zweiten Plätzen, jeweils hinter dem Polen Kamil Stoch, avancierte der Niederbayer aus Rastbüchl eine Woche vor der ersten Entscheidung bei den Winterspielen in Sotschi zum Medaillenkandidaten. „An einem solchen Wochenende zweimal auf dem Podium zu stehen, ist sehr viel wert“, sagte der 25-Jährige. „Das nehme ich mit nach Russland.“ Auch Andreas Wellinger, der jüngste im Team, hinterließ mit den Plätzen acht und zehn einen guten Eindruck. Auch von ihm noch ein letztes Wort zu Martin Schmitt: „Als ich mit dem Springen angefangen habe, hat er alles gewonnen. Er war natürlich mein Vorbild.“

Der so Angehimmelte traut seinen Nachfolgern jedenfalls bei Olympia einiges zu: „Sie können dort auf jeden Fall eine Medaille gewinnen.“

Auch wenn der noch fünf Jahre ältere Japaner Noriaki Kasai seinen langjährigen Gegner vor den Fernsehkameras zum Rücktritt vom Rücktritt aufforderte: „Ich warte auf dich“ – ein Comeback hat Schmitt vorerst ausgeschlossen. In Köln studiert Schmitt bis Herbst 2015 an der Trainerakademie. Als Skispring-Opa will er nun doch nicht in die Geschichte eingehen. (HA)