Der Partenkirchener gewinnt in Adelboden als erster Deutscher seit vier Jahrzehnten einen Weltcup-Riesenslalom

Adelboden. Die Krönung eines herausragenden Wochenendes blieb Felix Neureuther verwehrt. Einen Tag nach seinem Triumph im Riesenslalom in Adelboden fädelte der Partenkirchener im zweiten Durchgang des Slaloms im Zielhang ein und schied aus – zu dem Zeitpunkt lag er nur fünf Hundertstelsekunden hinter der Zwischenzeit des späteren Siegers Marcel Hirscher aus Österreich. Trotzdem freute sich der 29-Jährige vier Wochen vor den Olympischen Winterspielen: „Das war unbeschreiblich, daran ändert auch der Einfädler nichts.“ Der erste Riesentorlaufsieg eines deutschen Fahrers seit fast 41 Jahren „hat in Deutschland ganz schön was ausgelöst“, meinte Neureuther im ORF stolz zu seinem Coup.

Warum der Patzer nach 44 Sekunden auf dem Chuenisbärgli in der Schweiz den zweiten Podestplatz innerhalb von 24 Stunden erklärte, hatte Neureuther schnell erklärt: „Ich habe den Schwung ein bisschen zu früh angesetzt, und es war vorbei.“ Aber „vielleicht tut’s auch ganz gut“, meinte er noch. „Dann kehrt wieder ein bisschen Ruhe ein.“

Denn Neureuther hat mit seinem unerwarteten und geschichtsträchtigen Sieg große Hoffnungen für Olympia in Sotschi geweckt. Alpindirektor Wolfgang Maier mochte die Favoritenrolle noch nicht annehmen. „Olympia ist noch weit weg. Es hat auch noch nie gutgetan, wenn man die Leute zu sehr unter Druck setzt“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Freuen aber dürfte Maier, dass sich Neureuther nicht mehr aus der Bahn werfen lässt. „Das ist schon fast ein Markenzeichen vom Felix, dass immer irgendwas ist.“

Im Sommer die misslungene Operation am Sprunggelenk, in deren Folge Neureuther nahezu die komplette Vorbereitung verpasste und erst im September mit Skifahren beginnen konnte. Dann ein Trainingssturz, der ihm eine schmerzhafte Rückenprellung bescherte und einen knöchernen Kapselausriss am rechten Daumen. Schläge auf die verletzte Hand verursachen schlimme Schmerzen, im Ziel verzieht Neureuther seither immer wieder das Gesicht.

Nach einem „Warnschuss“ im Training in der vergangenen Woche fuhr er am Sonnabend schließlich mit Gips, schnitt ihn sich für den Slalom am Sonntag aber wieder ab. „Ich habe mit Gips probiert zu fahren, das hat absolut keinen Sinn gemacht“, berichtete er nach dem ersten Durchgang. Schmerzfreiheit zählt zu seinen großen Wünschen für 2014. „Ich wäre froh, wenn ich irgendwann mal gesund werden würde“, sagte er. Dann nämlich, glaubt er, „kann ich noch schneller Ski fahren“.

Trotz aller Handicaps zeigt Neureuthers Leistungskurve seit Monaten steil nach oben. In den vergangenen 26 Weltcuprennen fuhr er 15-mal unter die besten fünf, kam neunmal auf das Podest und holte fünf Siege. Als Vizeweltmeister im Slalom muss er auch nicht mehr beweisen, dass er bei Großereignissen nicht liefern könne.

Es hatte eines schweren Rückschlags bedurft, ehe sich das „Jahrhunderttalent“ Neureuther tatsächlich zu einem konstanten Siegfahrer entwickelte. Nach der verkorksten Heim-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen, als Neureuther nur Platz 34 im Riesenslalom belegte und im Slalom scheiterte, hatte Maier ihn vor die Wahl gestellt: „Entweder Felix kommt jetzt in die Mannschaft und arbeitet im Team, oder die Familie Neureuther muss einen eigenen Trainer finanzieren.“ Neureuther entschied sich für die Zusammenarbeit – und lieferte endlich Ergebnisse.

Die bessere Integration in die Mannschaft habe Neureuther gutgetan, sagte Maier. „Der Felix ist ein sozialer Typ, der den Spaß mit den Menschen um ihn herum braucht.“ Außerdem habe er nicht mehr nur sehr engagierte Trainer, sondern seit zwei, drei Jahren auch Konkurrenz im eigenen Team, Läufer wie Stefan Luitz oder Fritz Dopfer, die ebenfalls schnelle Skifahrer sein können.

Auch der bislang letzte deutsche Riesenslalomsieger, der 67-jährige Oberbayer Max Rieger, hält große Stücke auf Neureuther. Am 2. März 1973 hatte er das Rennen im kanadischen Mont Sainte-Anne gewonnen – für vier Jahrzehnte der letzte Erfolg in dieser Disziplin. Rieger nennt Felix Neureuther einen „würdigen Nachfolger“ und traut ihm in Sotschi ebenfalls einen Erfolg zu: „Es kann nun die Felix-Neureuther-Fespiele geben. Das Feuerwerk hat er schon angezündet. In Sotschi sollte das große Finale folgen.“

Rieger, der mit Felix’ Eltern Rosi Mittermaier und Christian Neureuther eng befreundet ist, sieht den Sohn der deutschen Skilegenden auf dem Weg zu einem der ganz Großen seiner Zunft: „Es hat zu meiner Zeit Ausnahmeläufer gegeben wie Jean-Claude Killy, Gustav Thöni oder Ingemar Stenmark. Felix reiht sich da ein, obwohl er noch nicht so viel gewonnen hat wie sie. Doch er besitzt deren außergewöhnliche Fähigkeiten. Er hat ein Feingefühl fürs Kurvenfahren wie kein anderer.“ Damit sei Neureuther „hundertprozentig“ ein Kandidat für die Medaillen, so Rieger. „Für mich ist er auch Goldfavorit.“

Neureuthers großer Rivale, der Slalom-Sieger und Riesenslalom-Dritte Marcel Hirscher, sagte: „Für uns Österreicher ist es schwer vorstellbar, dass man mehr als 40 Jahre auf einen Sieg im Riesentorlauf warten muss. Aber Felix hat eindrucksvoll gezeigt, dass er zu den Besten der Welt gehört.“