Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner vorm Start der Australian Open über die Erfolgsaussichten der deutschen Topspielerinnen für die Saison 2014

Hamburg. Seit vergangenem Montag ist Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner in Australien. Der hartnäckige Jetlag ist längst der Vorfreude auf die Australian Open in Melbourne, das am Montag beginnende erste Grand-Slam-Turnier des Jahres 2014, gewichen. Für das Abendblatt hat die 40-Jährige ihre Spielerinnen einem Leistungscheck unterzogen. Barbara Rittner über...

...Angelique Kerber (Kiel, 25 Jahre alt, Nummer neun der Weltrangliste): Bei der Angie habe ich ein wahnsinnig gutes Gefühl. Dass sie sich von ihrem langjährigen Coach Torben Beltz getrennt und mit Benjamin Ebrahimzadeh einen Schleifer verpflichtet hat, halte ich für ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie den Sprung ganz nach vorn schaffen will. Sie hat hart gearbeitet, wirkt unheimlich klar und fokussiert. Sie hat die vergangene Saison gebraucht, um zu spüren, dass sie in die Weltklasse gehört, aber dass es nach ganz oben eben noch ein Schritt ist. Dass sie diesen 2014 schafft, daran glaube ich fest.

...Sabine Lisicki (Berlin, 24, Nr. 15): Die Teilnahme am Wimbledon-Finale hat lange nachgewirkt, Sabine hat den Trubel um ihre Person sehr genossen, und das finde ich auch genau richtig. Sie ist ein Mensch, der Öffentlichkeit genießt, und wenn es ihr privat gut geht, profitiert sie davon auch sportlich immens. In diesem Jahr wird sich allerdings zeigen, wie sie den Wirbel verkraftet hat. Ich denke, dass sie als Spielerin unheimlich gereift ist, aber es fehlt ihr vor allem körperlich noch an Konstanz, weil sie immer wieder durch kleine Verletzungen aus der Bahn geworfen wird, wie man auch nach Wimbledon gesehen hat. Wenn sie diese Rückschläge vermeiden kann, dann führt ihr Weg unzweifelhaft in die Top Ten.

...Mona Barthel (Neumünster, 23, Nr. 35): Keine Frage, das Potenzial für die Top 30 hat sie. Der Schlüssel dazu ist, dass sie mehr Konstanz in ihr Spiel bringt, und dazu gehört, dass sie auch Einflüsse von außen zulässt. Ich weiß natürlich um ihre Familiengeschichte und die besondere Beziehung zur Mutter, und die soll sie auch gar nicht aufgeben. Aber die Bereitschaft, sich zu öffnen, bringt Mona immer mehr mit. Und man darf auch nicht vergessen, dass sie noch nicht allzu lang auf der Tour dabei ist. Sie muss weiter Erfahrungen sammeln, dann wird es für sie in diesem Jahr nach vorn gehen.

...Andrea Petkovic (Darmstadt, 26, Nr. 40): Dass die Petko es gesund nach Melbourne geschafft hat, ist ein Fortschritt im Vergleich zu den vergangenen Seuchenjahren. Sie arbeitet hier sehr zielstrebig, wirkt absolut fit und wird, wenn sie endlich einmal ein Jahr gesund durchspielen kann, in die Top 20 zurückkehren. Insgesamt ist sie richtig erwachsen geworden. Reflektiert hat sie ja schon immer, manchmal vielleicht zu viel, aber jetzt hört sie auch mehr auf ihren Körper und schont sich, wenn es sein muss. Dennoch darf sie ihre Mentalität nicht verlieren, die Verbissenheit und der Wille machen sie stark. Ich wünsche ihr, dass sie für ihre harte Arbeit belohnt wird.

...Annika Beck (Bonn, 19, Nr. 53): Annika war die große Überraschung der Saison 2013. In diesem Jahr geht es darum, diese Leistung zu bestätigen und weiter hart zu arbeiten. Mit ihrer Einstellung wird sie ihren Weg gehen.

...Julia Görges (Bad Oldesloe, 25, Nr. 73): Die Jule kann aus dem vergangenen Jahr sehr viel herausziehen, wenn sie die richtigen Schlüsse aus den vielen Erstrundenniederlagen gezogen hat, wovon ich fest ausgehe. Sie wirkt viel lockerer und ruhiger, vor allem aber scheint der Spaß am Tennis zurück zu sein, den sie in 2013 zeitweilig verloren zu haben schien. Da hat sie Tennis als Job angesehen und resigniert, wenn es nicht lief. Aber so geht es für sie nicht, sie braucht Leidenschaft und Emotionen, um ihr Spiel aufziehen zu können. Wenn ihr das wieder gelingt, dann wird sie 2014 in die Top 30 zurückkehren.

...Carina Witthöft (Hamburg, 18, Nr. 207): Mit Carina habe ich in den Tagen von Melbourne viel trainiert, weil sie ja derzeit keinen Coach hat. Sie muss in diesem Jahr lernen, den Fokus voll auf ihre Karriere zu legen. Nach ein paar Monaten des Zweifelns hat sie sich dafür entschieden, alles auf den Sport zu setzen. Sie nabelt sich gerade von ihren Eltern ab, was ein wichtiger Schritt ist, den die ganze Familie mitträgt. Durch die Qualifikation für Wimbledon 2013 war Carinas Anspruchsdenken sehr hoch geworden, sie wollte zu schnell zu viel. Darüber haben wir lange gesprochen, jetzt trainiert sie super, sehr fokussiert, und wird von Tag zu Tag besser. Wenn sie einen guten Trainer findet, der sie täglich fordert, und wenn sie bereit ist, auch viel Lehrgeld zu zahlen, dann bin ich überzeugt davon, dass sie in diesem Jahr den Sprung in die Top 100 schaffen wird.