Die Vollnarkose entlastet das Gehirn und nimmt den Schmerz

Hamburg. Ein Koma ist ein längerer Zustand tiefer Bewusstlosigkeit, aus dem ein Mensch sich nicht mehr aufwecken lässt. Im Koma ist die Hirnaktivität des Betroffenen deutlich eingeschränkt. Je stärker das der Fall ist, desto mehr ist auch sein Bewusstsein und seine Reaktion auf Reize von außen eingeschränkt. Neuropsychologen nehmen an, dass das Koma eine Schutzreaktion des Körpers bei lebensbedrohlichen Verletzungen und extremen Schmerzen ist, die ein Mensch bei vollem Bewusstsein nicht ertragen würde. Das Koma dauert daher meist nur einige Tage bis maximal mehrere Wochen an. Entweder bessert sich der Zustand des Patienten – oder es tritt der Hirntod ein.

Ganz anders verhält es sich beim künstlichen Koma. Ärzte versetzen Patienten zwar ebenfalls als Schutzmaßnahme in diesen Zustand, in dem das Bewusstsein sehr reduziert oder fast gänzlich ausgeschaltet ist, aber sie können den Betroffenen jederzeit wieder aus dem Koma herausholen. Sie helfen so Patienten nach schweren Operationen, nach Lungenversagen oder schweren Schädel-Hirn-Verletzungen.

Dabei ist der Begriff Koma allerdings etwas irreführend. Denn im Grunde handelt es sich dabei um eine verlängerte Vollnarkose. Schmerz und Bewusstsein werden mithilfe von Narkose- und Schmerzmitteln gezielt und dauerhaft ausgeschaltet, und die Ärzte übernehmen die Kontrolle über die Grundfunktionen des Körpers, um ihn zu entlasten. Das bedeutet: Der Patient wird auf der Intensivstation künstlich beatmet, und Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur von den Ärzten kontinuierlich überwacht. Herz, Leber, Darm und Niere arbeiten in der Regel selbsttätig weiter. Ernährt wird der Patient im künstlichen Koma über eine Magensonde oder intravenös.

Je nach Zustand des Patienten, können die Ärzte die Medikamente so dosieren, dass das künstliche Koma tiefer oder flacher als bei einer normalen Narkose ausfällt. Kann das künstliche Koma relativ flach gehalten werden, versuchen die Behandler häufig, den Betroffenen ab und zu aufzuwecken, um ihn in dem normalen Wach-Schlaf-Rhythmus zu halten. Aber auch im tiefen künstlichen Koma nimmt der Patient vermutlich noch etwas wahr. Daher wird er vom Pflegepersonal so behandelt, als wäre er wach.

Im Koma hat insbesondere das Gehirn mehr Reserven für die Heilung. Das ist besonders wichtig, wenn es selbst von Erkrankungen oder Verletzungen betroffen ist. Die hohe Dosierung von Schmerz- und Schlafmitteln kann dann helfen, die gestörten Druckverhältnisse im Gehirn zu regulieren, erklärt Manfred Westphal vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: „Wenn es Blutungen oder Schwellungen gibt, die auf das Hirn drücken, muss das Hirn entlastet werden. Das kann durch abschwellende Medikamente erfolgen und durch das künstliche Koma.“ Manchmal wird zusätzlich auch die Körpertemperatur des Patienten auf 32 bis 35 Grad gesenkt. Das verlangsamt den Stoffwechsel des Körpers und mindert so den Sauerstoffverbrauch. „Auch das dient der Entlastung des Hirns“, so Westphal.

Außerdem sorgt das künstliche Koma dafür, dass der Kreislauf des Patienten sich stabilisiert. Nach schweren Verletzungen reagiert der Körper mit hohem Adrenalinausstoß, da die eigenen Rettungssysteme völlig überfordert sind. Durch das Koma werden diese panischen Angstreaktionen gemildert und das Gehirn vor zusätzlichem Stress geschützt. Diesen Zustand erhalten die Mediziner so lange aufrecht, wie es unbedingt nötig ist.

Das kann von wenigen Stunden bis zu einem Monat dauern. Wurden etwa bei einem Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma die Blutungen behandelt und sind die Schwellungen zurückgegangen, kann man das künstliche Koma langsam beenden. Zwar halten Experten die Risiken des künstlichen Komas für recht gering – manchmal tritt später etwa eine Schwächung des Immunsystems oder eine Blutdruckregulationsstörung auf – dennoch bemühen sich die Ärzte, das Koma so kurz wie möglich zu halten.

Ist es dann soweit, werden die Narkosemittel allmählich reduziert. So kommt die selbstständige Atmung zurück, und der Patient wacht langsam auf, und nimmt nach und nach mehr von seiner Umgebung wahr.